Empowerment von Anlegerinnen: Jetzt handeln
08.03.2023
Maxime Carmignac, Managing Director Carmignac UK / Foto: © Carmignac
Anlässlich des Internationalen Frauentags möchte ich mich einem Thema widmen, das bisher wenig Beachtung findet: Frauen im Investmentgeschäft. Das Lohngefälle zwischen den Geschlechtern (das sich zum Glück verringert) ist zwar in aller Munde. Über einen weit größeren geschlechterspezifischen Unterschied wird weniger gesprochen: die Art und Weise, wie Frauen ihr Geld anlegen.
Nehmen wir zum Beispiel eine Person, die mit 25 Jahren beginnt, jeden Monat 200 Euro anzusparen, nach 15 Jahren damit aufhört und das Geld bis zum Alter von 65 Jahren mit 5 % Zinsen pro Jahr anlegt. Schauen wir uns nun eine Person an, die mit 40 Jahren über einen Zeitraum von 25 Jahre exakt den gleichen Betrag (200 Euro/Monat) anspart. Die erste Person spart insgesamt 36.000 Euro an, die zweite 60.000 Euro. Beim Übergang in den Ruhestand (im Alter von 65 Jahren) summiert sich das Sparguthaben der ersten Person auf 180.000 Euro bzw. auf 50 % mehr als im Fall der zweiten Person, deren Sparguthaben rund 120.000 Euro beträgt.
Diese Differenz ist auf den Zinseszins zurückzuführen, der manchmal als das „achte Weltwunder“ bezeichnet wird. Im Grunde bedeutet diese Aufzinsung, dass man im Laufe der Jahre sowohl auf die angesammelten Zinsen als auch auf das ursprünglich angelegte Kapital Zinsen erhält. Je früher man anlegt, desto mehr wächst das Sparguthaben und desto größer ist der Zinseszins-Effekt. Warum verbirgt sich hier ein Ungleichgewicht? Weil es in aller Regel Männer sind, die früh mit dem Anlegen beginnen. Frauen tendieren dazu, erst viel später zu investieren – wenn überhaupt.
Auch wenn ich persönlich nichts von Geschlechterstereotypen halte: Ich war doch sehr überrascht darüber, wie bedeutend dieses Gender Gap ist, wenn es um den Umgang mit Geld geht. Ich habe mir eine Reihe von Erhebungen und Zahlen angesehen, die alle auf das Gleiche hinauslaufen: Frauen haben andere Erwartungen und Bedürfnisse als Männer.
Nachfolgend eine – unvollständige – Liste der Unterschiede zwischen Männern und Frauen beim Thema Investieren: Frauen erwarten gezieltere Anlageberatungsdienstleistungen, die sich auf ihre Ziele im echten Leben konzentrieren. Sie verstehen tendenziell, warum sie anlegen sollten, interessieren sich aber weniger dafür, wie sie dabei vorgehen sollten. Sie sind allgemein weniger risikofreudig als Männer und interessieren sich mehr für langfristige Anlageoptionen mit einem nachhaltigen Ansatz. Außerdem vertrauen Frauen meist weniger auf ihr Wissen darüber, wie sie ihre Ersparnisse anlegen können und welche Möglichkeiten es gibt, um ihr Geld zu mehren.
Eine weitere Erklärung liegt darin, dass die Finanzbranche von Männern dominiert wird, einen eigenen Jargon verwendet und gewiss nicht auf die spezifischen Bedürfnisse von Frauen eingeht. Es ist eine traurige Tatsache, dass zwei von drei Frauen den Eindruck haben, dass ihr Finanzberater sie missversteht.[1]
Eine Frage der Unabhängigkeit
Machen wir uns nichts vor: Die Vermögensverwaltungsbranche ist schlecht darin, auf Frauen zuzugehen. Verbesserungen in diesem Bereich wären jedoch mehr als sinnvoll, denn angesichts des schnell steigenden Anteils arbeitender Frauen, des abnehmenden Lohngefälles zwischen den Geschlechtern und der Tatsache, dass Frauen länger leben als Männer, nimmt die Wirtschaftskraft der Frauen schnell zu. Die Zahlen sprechen für sich: Erwartungen zufolge werden Frauen in den nächsten 40 Jahren 70 % des gesamten Vermögens in den USA kontrollieren (gegenüber 51 % zurzeit) und weltweit wird ihr Einkommen in den nächsten fünf Jahren wahrscheinlich um 5 auf 18 Billionen US-Dollar steigen.[2]
Ich möchte unter anderem das Bewusstsein von Frauen dafür schärfen, dass sie frühzeitig mit dem Sparen beginnen müssen. Dann können sie sich den Zinseszins-Effekt zunutze machen. Außerdem möchte ich ihnen unkomplizierte Anlageoptionen mit Wertsteigerungspotenzial anbieten. Aus diesem Grund habe ich 2019 einen Investmentfonds gegründet, der als langfristiges Anlagevehikel konzipiert wurde und vor allem auf die Erwartungen von Frauen und deren besondere Anlagebedürfnisse eingeht.
Frauen müssen ihre langfristige finanzielle Planung besser in die Hand nehmen, denn dies hat sehr viel mit ihrer Unabhängigkeit zu tun. Finanzielle Unabhängigkeit von Sparerinnen bedeutet mehr Unabhängigkeit für alle Frauen – und der Schlüssel zur finanziellen Unabhängigkeit liegt in dem Wissen darum, wie sich Anlegen lohnt.
Dies ist umso notwendiger, wenn sich die Lebensumstände verschlechtern. Dass ihre Finanzplanung unzureichend war, wird vielen Frauen erst bewusst, wenn sie sich scheiden lassen oder ihr Ehemann verstirbt und sie ihre Lebensgewohnheiten ändern müssen, weil sie vor einem Berg versteckter Schulden stehen oder das Ersparte nicht ausreicht.[3]
Frauen müssen ihre finanzielle Zukunft selbst in die Hand nehmen. Es geht dabei um nichts Geringeres als ihre Unabhängigkeit. Die Gleichstellung der Geschlechter am Arbeitsplatz zu fördern, ist notwendig –das allein reicht jedoch nicht aus. Die Finanzbranche muss außerdem mehr für das Empowerment von Anlegerinnen tun – das heißt, sie muss sich noch mehr anstrengen, um sie zu ermutigen, zu informieren und zu beraten. Meine Botschaft an Frauen lautet: „Haben Sie keine Angst, klein anzufangen. Beginnen Sie jetzt mit dem Sparen und Anlegen, um Ihre finanzielle Zukunft zu sichern. Es ist in Ihrem eigenen Interesse.“
Gastbeitrag von Maxime Carmignac, Managing Director Carmignac UK
[1]Women and wealth: The case for a customized approach, EY, 2017; „Best of money, why do women fear the stock market?“, Financial Times, 2016.
[2]Women and wealth: The case for a customized approach, EY, 2017; A few facts on females as end investors, McKinsey & Co.; CFA Institute
[3]Own your worth: Why women should take control of their wealth to achieve financial well-being, UBS Investor Watch, 2019.