Eine Rakete im Trudelflug
26.08.2020
Foto: © alexyz3d – stock.adobe.com
Gut zweieinhalb Jahre währt mittlerweile die Geschichte des Betriebsrentenstärkungsgesetzes (BRSG). Nach dem Willen von Politik und bAV-Anbietern sollte es eine Erfolgsgeschichte werden. Doch die Zeit seit Anfang 2018 zeigt, dass es für die Verbreitung der betrieblichen Altersversorgung mehr braucht als nur guten Willen. Vor allem eine deutlich bessere Kommunikation.
Eine betriebliche Altersversorgung durch Mitarbeiterbeiträge gehört zum Standardangebot von Unternehmen: In 88 % der Firmen sind Regelungen für die Umwandlung von Entgelt in Altersvorsorgeansprüche etabliert. Weitere 8 % übernehmen entsprechende Vorschläge ihrer Mitarbeiter. Dennoch greifen nur wenige Beschäftigte zu. Lediglich in einem Drittel der Unternehmen nehmen mehr als 50 % von ihnen dieses Angebot wahr, wie eine Umfrage der Unternehmensberatung Willis Towers Watson zeigt. Die herbe Enttäuschung: Daran hat auch das Betriebsrentenstärkungsgesetz (BRSG) nichts geändert, wie 83 % der Unternehmen sagen. „Die Unternehmen packen die Entgeltumwandlung aktiv an und kommen den Wünschen der Arbeitnehmer nach einer sicheren und bedarfsgerechten bAV weitgehend nach – das ist gut“, sagt Dr. Heinke Conrads, Leiterin Retirement Deutschland und Österreich bei Willis Towers Watson. „Dennoch zeigt sich, dass Mitarbeiter ihren Vorsorgebedarf offenbar nicht gut genug einschätzen können und die bisherigen Informationen der Unternehmen diese Lücke wohl nicht wirksam füllen.“ Wenn das Ziel des BRSG – die weitere Verbreitung der bAV und der Ausbau ihrer Finanzierungsgrundlage – erreicht werden soll, bleibt also noch viel zu tun“, resümiert die Expertin. Vier Fünftel der Firmen bieten für die Eigenvorsorge der Mitarbeiter mehr als einen Durchführungsweg an. Die durch das BRSG überarbeitete Riester-Förderung wird nur selten genutzt: Lediglich 13 % der Unternehmen sind dabei. Dabei können die Mitarbeiter in 75 % der Unternehmen ihre bAV an ihren individuellen Bedarf anpassen – meist im Hinblick auf einmalige oder laufende Beiträge und die Auszahlung als Rente oder Einmal betrag, aber auch bezüglich zusätzlicher Absicherungsoptionen für den Invaliditäts- oder Todesfall. Schließlich bezuschussen 63 % der Firmenchefs die Beiträge der Mitarbeiter, mehrheitlich über das gesetzlich geforderte Maß hinaus. Heiko Gradehandt, Director bei Willis Towers Watson, erklärt aber auch: „Die Unternehmen haben auch schon vor dem BRSG die bestehenden Möglichkeiten genutzt, um ihren Mitarbeitern durchdachte Vorsorgemöglichkeiten anzubieten. Das BRSG hat die Notwendigkeit einer betrieblichen Altersversorgung nun noch einmal stärker in das Bewusstsein der Öffentlichkeit gerückt.“ Allerdings ließen die Beschäftigten darauf noch keine Taten folge“. 83 % der Unternehmen registrieren keine Veränderung. Bei nur 15 % ist die Nachfrage nach Eigenvorsorgemöglichkeiten deutlich gestiegen. Woran hakt es also? Mitarbeiter kennen ihren Versorgungsbedarf nicht. Diesen Grund führen die befragten Unternehmen am häufigsten an. Auf Platz 2 folgt: Sie haben nicht genügend freies Einkommen zur Vorsorge zur Verfügung. Mitarbeiter verstünden die Angebote nicht oder seien grundsätzlich skeptisch gegenüber Versicherungsangeboten – diese Argumente werden ebenfalls genannt. Resümee der Analysten: Wenn die Angebote bei den Mitarbeitern aber nicht oder nicht verständlich ankämen, werden sie die Angebote auch nicht wahrnehmen.
Weiter auf Seite 2