Eine bessere Führungskraft dank Burnout

04.05.2021

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Burnout? Was hat denn das Thema in dieser Zeitschrift verloren? Ich versuche immer wieder, mich in die Zeit zurückzuversetzen vor meinem Burnout. Da dachte ich, dass Menschen, die unter einem Burnout oder sonstigen psychischen Problemen leiden, einfach nicht willensstark genug sind und es schlicht „nicht gepackt haben“. Der Gedanke kommt mir heute sehr fremd vor, aber genau das habe ich damals gedacht – wie man sich doch irren kann!

Eine der Fragen, die ich zu dem Thema am häufigsten höre, ist: Wie hat es sich vor dem Burnout angefühlt? Was waren die Symptome? Im Rückblick kann ich eine ganze Reihe von Hinweisen aufzählen, die ich hätte bemerken können. Aber damals habe ich sie nicht gesehen. Dazu aber später. Ich fühlte mich voller Energie. Ok – vielleicht ein bisschen gestresst, aber das ist ja Teil vom Job, dafür bekommen wir ja ordentlich Schmerzensgeld – haha!

Wie fing das alles an?

Mai 2011. Wie so oft war ich eine Woche in den USA. Wie immer durchgetaktete Tage mit jeder Menge Meetings. Am Freitagnachmittag dann noch schnell vor der Rückfahrt zum Flughafen ein schwieriges Meeting mit einem Kollegen, der mich persönlich angriff – das hatte nachgewirkt. Das ganze Wochenende mit meinem Sohn in der Sporthalle, um ihn bei einem Tischtennisturnier zu coachen. Für den Montagmorgen hatte ich meine Direct Reports zu einem Meeting eingeladen, zu dem ich für meine Verhältnisse schlecht vorbereitet war und am Mittwoch sollte es nach Indien gehen. Als ich Montagmorgen aufwachte, war mir hundeübel und schwindelig. Tja, da habe ich mir wohl etwas eingefangen. Das Meeting lief dann auch sehr schleppend, da ich mich einfach nicht richtig auf das Thema konzentrieren konnte. Also Dienstagmorgen zum Arzt, Blutwerte überprüfen. Alles klar, du kannst nach Indien fliegen. Auf dem Flug hatte ich sogar beim Boarding ein Upgrade für die First-Class bekommen, aber wegen der Übelkeit konnte ich nichts essen und trinken – echt schlechtes Timing. Die beschriebene Woche war nicht ungewöhnlich. Dennoch war sie wohl der Tropfen, der das Fass zum Überlaufen brachte. Mich traf das auf jeden Fall völlig unerwartet.

Suche nach Ursachen

Die Beschwerden wurde ich die nächsten fünf Monate nicht mehr los. Ich bin von Arzt zu Arzt gerannt, um endlich eine Ursache zu finden. Ich hatte zwar so ein dumpfes Gefühl, dass es nicht nur körperlich ist, aber ich wehrte mich mit Händen und Füssen dagegen. Die müssen doch was finden. Als dann aber die Schlafprobleme dazu kamen, wurde es immer enger. Die Nächte wurden furchtbar lang und wenn man nicht schläft, sind die Tage auch nicht besser. Das kostet sehr viel Energie. Vor allem, wenn es keiner merken darf. Bis Oktober habe ich durchgehalten, dann bin ich zusammengeklappt. Nichts geht mehr. Diagnose: Mittelschwere Depression. Was folgte, war die schlimmste Zeit meines Lebens. Es waren nicht nur die Symptome der Depression, sondern auch eine andere Tatsache: Alle konnten sehen, dass ich doch nicht so perfekt funktionierte wie ich vorgab. Ein analytischer Kopfmensch, perfektionistisch, hat die Dinge unter Kontrolle, auf Anerkennung anderer bedacht, belastbar, immer zuverlässig. Ich war der Prototyp desjenigen, dem sowas ganz sicher nicht passiert…. Tja, ganz im Gegenteil. Heute weiß ich, dass ich mit dieser Liste zu den Top-Kandidaten gehörte.

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