Digitalisierung von Finanzinstrumenten nimmt Fahrt auf

13.05.2020

Frank Thole, Partner WEPEX Unternehmensberatung / Foto: © WEPEX Unternehmensberatung

Der nächste Schritt: Wertpapiergeschäfte über Blockchain papierlos abwickeln

Kryptowährungen sind das bislang bekannteste Beispiel einer auf der Blockchain-Technologie basierenden Anwendung. Aber die dezentrale Alternative zur klassischen, zentralisierten Datenbank kann noch viel mehr und eröffnet dem Finanzmarkt ungeahnte Möglichkeiten, zum Beispiel den Handel mit digitalen Wertpapieren, ganz ohne Papierurkunde. Das deutsche Zivilrecht erlaubt es noch nicht, dass Wertpapiere auf Basis einer Blockchain ausgegeben werden. Es bedarf zur rechtlich wirksamen Entstehung der Verkörperung des mit dem Wertpapier eingeräumten Rechts immer einer (Papier-) Urkunde. Ein rein digitales Token kann diese mit einer Urkunde verknüpfte Legitimationsfunktion (noch) nicht erfüllen. Denn nach aktueller Rechtslage kann das Token lediglich Ansprüche, Forderungen oder Rechte gewähren, die aufgrund vertraglicher Vereinbarungen zwischen den Parteien entstehen. Aber auch hier stehen Änderungen an. Die Bundesregierung plant, das deutsche Zivilrecht zeitnah für digitale Wertpapiere zu öffnen. Laut der im September 2019 verabschiedeten Blockchain-Strategie der Bundesregierung soll die Papierform (urkundliche Verkörperung) für bestimmte Wertpapiere nicht mehr zwingend erforderlich sein. Großer Vorteil digitaler Wertpapiere: Durch einen Verzicht auf Wertpapierurkunden könnten Emission, Handel und Verarbeitung von Wertpapieren schneller und kostengünstiger erfolgen.

Behördengänge zukünftig mit Blockchain-basierter Identität?

Das elektronische Wertpapier könnte zukünftig durch Eintragung in einem Register entstehen: Die Dokumentationsfunktion der bisher notwendigen Wertpapierurkunde kann bei elektronischen Wertpapieren durch Erfassung der Rechte in einem elektronischen Wertpapierregister ersetzt werden. Um Manipulationsmöglichkeiten zu vermeiden, müsste die Registerführung wohl durch eine staatliche oder eine unter staatlicher Aufsicht stehende Stelle erfolgen. Ein erster Gesetzentwurf ist zeitnah geplant. Schon heute ermöglichen einige EU-Mitgliedsstaaten, die Schweiz und viele asiatische Länder die Ausgabe „papierloser“ Wertpapiere. In der Schweiz wurden schon weitere praktische Anwendungsfälle wie etwa die Darstellung von Lieferketten zwischen Unternehmen erprobt. Auch Behördengänge konnten in einigen Schweizer Kantonen vereinfacht werden: die Stadt Zug bietet ihren Bürgern dafür bereits eine Blockchain-basierte digitale Identität an.

Neben elektronischen Wertpapieren sind die Anwendungsfälle von Blockchaintechnologie im Finanz- und Versicherungsbereich schier grenzenlos. So können mithilfe der Blockchain Geschäftsfelder wie Posttrade, Clearing, Settlement, Wertpapierhandel, Zahlungsverkehr und Organisationsverwaltung nachhaltig beeinflusst werden. Man denke zum Beispiel an die Kreditantragsprüfung inklusive Bonitäts- und Schufa-Auskunft, die weltweite sekundenschnelle Überweisung eines beliebigen Betrages zwischen mobilen Geräten oder auch einen Einkauf im Lieblingsreiseland ohne – je nach Bankverbindung durchaus mühsamen – vorherigen Devisentausch. Überall, wo Güter bzw. Informationen ausgetauscht werden, könnte die Blockchain-Technologie also Branchen revolutionieren, indem sie Transaktionen oder den Datenaustausch schneller, transparenter und vor allem kosteneffizienter macht.

Eine spannende Entwicklung. Das darf man Disruption nennen.

Gastbeitrag von Frank Thole, Partner WEPEX Unternehmensberatung