Diese "Limonade" hinterlässt einen bitteren Nachgeschmack
21.06.2019
Hermann Hübner, Vorstandsvorsitzender VEMA eG / Foto: © VEMA
Allein mit den aufgezählten Ausschlüssen entfernt sich Lemonade stark von dem, was am deutschen Versicherungsmarkt als normal angesehen werden darf. Nun wird es für Kunden, die nicht vom Versicherungsfach sind, sicherlich noch möglich sein, diese klaren Ausschlüsse mit dem gelebten Alltag abzugleichen (sofern sie überhaupt auffallen); problematischer wird es mit Ausschlüssen, die nicht sofort ins Auge springen und in viel Text versteckt sind.
So bedeutet ein Ausschluss von Schäden durch motorisierte Fahrzeuge jeder Art auch, dass keinerlei Schutz für Verkehrsunfälle geboten wird, die mit einem nicht versicherungspflichtigen Pedelec verursacht werden. Das erst im Schadenfall zu erfahren, wäre eine böse Überraschung. Auch der unmotorisierte Radfahrer wurde beim Negativen bedacht: Mutwillig begangene Ordnungswidrigkeiten hebeln den Versicherungsschutz aus. Die Ampel, die man doch noch hätte schaffen müssen und dann bei Rot überfahren wurde, wäre so ein Praxisfall. Oder die Fußgängerampel, die man auch als Radfahrer nutzt. Verursacht man dadurch einen Verkehrsunfall, ist man bei Lemonade wieder mit dem eigenen Geld in der Pflicht. Gut für den Versicherer – und zwar nur für den.
Auch Personen, die bei einem wohnen, dürfen nicht darauf hoffen, von Lemonade entschädigt zu werden, wenn sie vom Versicherungsnehmer geschädigt werden. Zieht ein Paar zusammen und beide haben eine Privathaftpflichtversicherung, würde jede 08/15-Privathaftpflicht Schadenersatz leisten, wenn man den Partner z. B. durch Unachtsamkeit von der Leiter stößt oder nach einem verschuldeten Brand Lungenschäden durch Rauch und Qualm zu beklagen sind. Und es ist ja nicht nur der direkte Geldfluss an den/die Geschädigten, die da im Raum stehen. Auch die Sozialversicherungsträger werden prüfen, ob die Möglichkeit einer Regressnahme besteht – die der Lemonade-Kunde dann aus eigener Tasche zahlen muss.
Eine Versicherung sollte ein gutes Gefühl vermitteln, ein Gefühl, dass zumindest finanziell alles gut wird, wenn es denn mal „kracht“. Und zahlen muss sie dann natürlich auch. Dafür braucht es zweierlei: Ein gutes Bedingungswerk mit möglichst weitreichendem Schutz und eine solide Kalkulation der Beiträge. Das schafft Sicherheit beim Schutz, Sicherheit in der Finanzierbarkeit eines Schadens und Sicherheit hinsichtlich Stabilität der Beiträge.
Ganz sicher haben viele etablierte Versicherungsunternehmen bei der Ansprache jüngerer Kundengruppen noch Optimierungsbedarf und man könnte den grauen Staub der vergangenen Jahrzehnte ruhig abschütteln. Nur mit Duzen hingegen, lockeren Texten und Onlinebeantragung allein ist es allerdings nicht getan.
Da darf Lemonade seine Hausaufgaben noch machen. Wir hoffen, dass Kunden durch den löchrigen Schutz nicht zu arg geschädigt werden.
Momentan hinterlässt diese Limonade jedenfalls einen zu bitteren Nachgeschmack.
Kolumne von Hermann Hübner, Vorstandsvorsitzender VEMA eG