Die Zukunft provozieren
19.12.2018
Karl-Heinz Land / Foto: © Nathan Ishar
Die fünfte industrielle Revolution hebt kaum eine andere Branche so sehr aus den Angeln wie die Finanzwelt. Die Wertschöpfung verteilt sich komplett neu, viele Anbieter verschwinden vom Markt und mit ihnen die meisten Jobs. Für alle Player ist es jetzt an der Zeit, ihre Rolle im Markt zu überdenken.
Auch wenn viele Unternehmen lieber auf die digitale Bremse treten, müssen sie sich vor Augen halten: Nie wieder wird die Digitalisierung so langsam sein wie heute. Getrieben von der exponentiellen Leistungszunahme der IT wird in allen Bereichen der Wirtschaft das immer gleiche Programm abgespult: Was digitalisiert werden kann, wird digitalisiert. Was vernetzt werden kann wird vernetzt. Was automatisiert werden kann, wird automatisiert. Längst entfalten zentrale Technologien wie die Künstliche Intelligenz und die Blockchain, die Robotik und der 3D-Druck im „Internet der Dinge“ ein effizientes Zusammenspiel, das geradewegs in die fünfte industrielle Revolution führt. Die nahe Zukunft gehört den cyberphysischen Systemen sowie zunehmend autonom agierenden Maschinen. Anders gesagt: Als Mitarbeiter spielt der Mensch nur noch eine geringe Rolle. Dieser radikale Wandel wird vor allem die Finanzbranche auf den Kopf stellen.
Wandel zur Sinnökonomie
Die gute Nachricht vorweg: Diese Zukunftsszenarien bleiben nur bedrohlich, wenn man passiv bleibt. Die Digitalisierung ist die größte Gestaltungsaufgabe unserer Zeit. Längst gilt es für die Finanzbranche, über den Wertbeitrag ihrer Arbeit und Angebote auf einer „Erde 5.0“ ernsthaft nachzudenken. Denn derzeit steuert die Welt geradewegs in ökologische und soziale Katastrophen. Alles hängt zusammen: Klimawandel und Umweltzerstörung, Hunger und Armut, Ungleichheit und Ungerechtigkeit bis hin zu tiefgreifender sozialer Instabilität. Die einzige Option, diese existenziellen Herausforderungen der Menschheit auf einer grundlegenden, systemischen Ebene zu lösen und die bedrohte Erde noch zu retten, ist die Digitalisierung. Mit Technologie allein ist es aber nicht getan. Der Fortschritt muss mit einem Sinneswandel einhergehen. Vereinfacht gesagt: Weg vom reinen Shareholder Value – hin zur Sinnökonomie, deren Wert an ihrem Nutzen für Gesellschaft, ökologische Stabilität und sozialen Frieden gemessen wird. Die Zeit dafür ist reif. Es muss jeden Entscheider in der Finanzbranche aufhorchen lassen, wenn der Internationale Währungsfonds als Gralshüter des Kapitalismus die weltweit zunehmende Ungleichheit beklagt und der Allianzkonzern aus Anlagen mit fossilen Brennstoffen aussteigt. Oder der Vorreiter BlackRock: Die größte unabhängige Fondsgesellschaft der Welt rief unlängst in einem offenen Brief Unternehmen zum größeren Engagement bei gesellschaftlich relevanten Themen auf und kündigte an, nur noch diejengen zu unterstützen, die den Societal Impact in ihr Geschäftsmodell integrieren. Keine Frage: Wer über Geldströme und Investitionen wacht, spielt für die Erde 5.0 eine Schlüsselrolle. Es ist überfällig, dass Geldinstitute und Investmenthäuser dieser Verantwortung gerecht werden. Das Finanzwesen steckt in einer ernsten Marktkrise, denn es wird von der fünften indusriellen Revolution ins Mark getroffen. Die Schlagworte dazu lauten: Disintermediation, Disaggregation und Dematerialisierung. Was verbirgt sich darin im Einzelnen?
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