Die Zinsen steigen!
27.03.2018
Dr. Lars Slomka, Vorstand der Hansen & Heinrich Aktiengesellschaft / Foto: © Hansen & Heinrich
Auf der Märzsitzung der Europäischen Zentralbank (EZB) hat Mario Draghi seine Rhetorik verändert und eine Normalisierung der Zinspolitik indirekt angekündigt. Bereits in den letzten Wochen ist die Rendite der zehnjährigen Bundesanleihen von etwa 0,45 auf 0,75 Prozent gestiegen. Das Zinstief scheint hinter uns zu liegen und eine Normalisierung, höhere Zinsen, vor uns. Wie stark werden die Zinsen steigen und ist aufgrund der zu erwartenden Kursverluste ein Verkauf von Anleihen und Rentenfonds notwendig?
Für eine Prognose analysieren wir die wirtschaftlichen Aussichten der Eurozone und blicken auf weitere Aspekte, welche die Zinsentwicklung beeinflussen. Das Wirtschaftswachstum der Eurozone wird sich 2018 mit 2,4 Prozent weiter beschleunigen. Der feste Eurokurs, geringer Lohndruck in Europa und positive Basiseffekte bei den Rohstoffpreisen (zum Beispiel Öl), führen zu weiterhin geringen Preissteigerungsraten.
Die Inflationsentwicklung im Jahr 2018 wird mit 1,8 Prozent voraussichtlich sehr moderat bleiben. Somit sprechen die reinen wirtschaftlichen Faktoren noch nicht für starke Zinserhöhungen, sondern für eine längere Phase der kleinen Schritte hin zu einer Normalisierung. Nach den Wahlen in Italien und während der Brexit-Verhandlungen durchlebt die Politik in Europa weiter eine Phase der Unsicherheit.
Die Verschuldungssituation der südeuropäischen Länder Griechenland, Portugal und Italien hat sich nur wenig verbessert. Höhere Zinsen würden einen weiteren notwendigen Aufschwung, der den Schuldenabbau ermöglicht, behindern und das bisher Erreichte in Frage stellen.
Auch hinsichtlich der Wechselkursentwicklung Euro/US-Dollar wäre eine Zinserhöhung in Europa kontraproduktiv. Sie würde zu einem noch stärkeren Euro führen und dabei die Exportchancen europäischen Unternehmen schwächen und den europäischen Wirtschaftsaufschwung bremsen.
In einer globalen Welt müssen auch die Entscheidungen der anderen Notenbanken beim Zinsausblick berücksichtig werden. Diese werden 2018 sehr vorsichtig agieren. Die US-Notenbank wird die Geldmarktzinsen weiter behutsam anheben. Die Notenbank von Japan wird sehr expansiv bleiben und die Bank of China wird ebenfalls den Geldfluss sehr vorsichtig steuern. Allen Notenbanken gemeinsam gilt: Es liegt der Wille vor, den Aufschwung nicht zu behindern.
Starke Zinssteigerungen in Europa sind daher aus meiner Sicht für 2018 nicht zu erwarten. Höhere Schwankungen an den Rentenmärkten, aufgrund von einzelnen Nachrichten oder einzelnen Kommentaren von Mitgliedern der EZB, sind jedoch wahrscheinlich. Der Anleger ist gut beraten in solchen Marktphasen ruhig zu agieren. Ein Verkauf von Anleihen oder Rentenfonds ist aus Risikoüberlegungen auch im Jahr 2018 nicht angezeigt. Einerseits, weil die Risiken trotz geringer Renditen in Anleihen sehr überschaubar bleiben, andererseits weil es an Alternativen fehlt.
Für Neuinvestitionen bieten Unternehmensanleihen mit Laufzeiten von max. drei bis fünf Jahren das beste Chance/Risiko-Verhältnis. Ebenso eignen sich Anleihen, die bei leicht steigenden Zinsen profitieren (Floater) oder von einem überraschend sprunghaften Anstieg der Inflation (Inflation Linker) profitieren. Dabei ist ein sehr selektives Vorgehen hinsichtlich der Emittenten zu empfehlen.
Kolumne von Dr. Lars Slomka, Vorstand der Hansen & Heinrich Aktiengesellschaft in Frankfurt am Main