Die Verwertung von Kundenkontakten nach Ausscheiden des Versicherungsvermittlers – Ein rechtlicher Fallstrick

09.12.2021

Björn Thorben M. Jöhnke, Fachanwalt für Versicherungsrecht und Gewerblichen Rechtsschutz, Jöhnke & Reichow Rechtsanwälte in Parnterschaft mbB / Foto: © Jöhnke und Reichow Rechtsanwälte

Kommt es zur Beendigung des Handelsvertretervertrages, so stellt sich zwangsläufig die Frage, welche Kundenkontakte der Versicherungsvermittler nun weiterhin nutzen darf und welche nicht.

Die Einstufung der weiteren Verwertungsmöglichkeit hängt davon ab, ob die Kundendaten als Geschäftsgeheimnis zu bewerten sind. Denn nach § 90 HGB ist die Verwertung oder Mitteilung von diesen sensiblen Kundendaten nach Beendigung des Verhältnisses untersagt:

„Der Handelsvertreter darf Geschäfts- und Betriebsgeheimnisse, die ihm anvertraut oder als solche durch seine Tätigkeit für den Unternehmer bekanntgeworden sind, auch nach Beendigung des Vertragsverhältnisses nicht verwerten oder anderen mitteilen, soweit dies nach den gesamten Umständen der Berufsauffassung eines ordentlichen Kaufmannes widersprechen würde.“

Zur Abgrenzung, welche Daten verwertet werden dürfen und welche nicht, entwickelte der BGH die sogenannte Gedächtnis-Rechtsprechung. Die Kenntnis der darin enthaltenen Wertungen ist für den wirtschaftlichen Erfolg und Bestand des Vermittlers unerlässlich.

Erste BGH-Entscheidung im Jahr 1993

Bereits 1993 musste der BGH zur Verwertungsmöglichkeit von Kundendaten urteilen (BGH v. 28.01.1993 – I ZR 294/90), als ein Unternehmer im Wege einer vertraglichen Vereinbarung die Verwertung von Namen und Kundenanschriften als Geschäftsgeheimnisse dem Vermittler gänzlich untersagen wollte. Diese Klausel verstieß aber eindeutig gegen die Wertung des § 90 HGB, nach der ein ausgeschiedener Vermittler in direkte Konkurrenz zu seinem alten Arbeitgeber treten darf. Einen generellen Anspruch auf Erhalt des Kundenkreises besteht nicht. Es sind nach dem BGH aber nur solche Daten möglich zu verwerten, die dem Vermittler im Gedächtnis geblieben sind („Gedächtnis-Rechtsprechung“). Der BGH ebnete so den Weg zur nachvertraglichen Konkurrenz mit dem früheren Arbeitgeber und stellte dies unter Beweis, indem er in einem gleichgelagerten Fall (BGH v. 14.01.1999 – I ZR 2-97) ebenso gegen die Unzulässigkeit der Beschränkung von nachvertraglichem Wettbewerb entschied.

Ist Kündigungshilfe durch den Vermittler erlaubt?

Im Zusammenhang mit der nachvertraglichen Konkurrenz stellt sich damit insbesondere auch die Frage, ob der Vermittler für den Versicherungsnehmer Kündigungshilfe durch vorformulierte Kündigungsschreiben leisten darf (OLG Schleswig: Versicherungsmakler dürfen Kündigungshilfe durch formularmäßig vorbereitete Kündigungserklärungen leisten). Der nachvertragliche Wettbewerb unterliegt im Besonderen dem Wettbewerbsrecht, die Verwendung von Altkundendaten und die Kündigung von Bestandskunden ermöglicht die Begründung von neuen Kundenbeziehungen. Es wurde vom OLG Schleswig am 16.07.1999 (OLG Schleswig: Versicherungsmakler dürfen Kündigungshilfe durch formularmäßig vorbereitete Kündigungserklärungen leisten) geklärt, dass das Leisten von Kündigungshilfe keine unzulässige Wettbewerbshandlung im Sinne des § 3 UWG darstellt. Insbesondere treten Makler als Treuhänder für die Versicherungsinteressen ihrer Kunden auf, deshalb soll es insbesondere möglich sein, die lästige Arbeit des Kündigens übernehmen zu dürfen. Ein unzulässiger Eingriff in den geschützten Bereich von Mitbewerbern und Versicherern liegt nicht vor.

Die Verwertung von Geschäftsgeheimnissen

Wettbewerbsrechtlich unzulässig ist dagegen die Verwertung von Geschäftsgeheimnissen. Nach § 23 Abs. 1 Nr. 2 GeschGehG ist strafbar, wer ein Geschäftsgeheimnis entgegen § 4 Abs. 2 Nr. 1 GeschGehG nutzt, dass er sich unbefugt aneignet oder kopiert hat. Die Regelung deckt sich im Wesentlichen mit dem aufgehobenen § 17 UWG. Die Versicherungsvertreter dürfen keine Aufzeichnungen aus den Kundenkarteien ihrer ehemaligen Auftrags- & Arbeitsgeber für eigene geschäftliche Zwecke nutzen. Im Übrigen ist jede geschäftliche Kontaktaufnahme zu unterlassen, wenn sich die Kontaktmöglichkeit aus Aufzeichnungen ergibt.

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