„Die Pflichtversicherung allein ist keine Lösung“

21.08.2024

Anja Käfer-Rohrbach, stellvertretende Hauptgeschäftsführerin des GDV / Foto: © GDV

Extreme Wetterereignisse nehmen rasant zu und verursachen Schäden in Milliardenhöhe. Gleichzeitig wird der Ruf nach einer Pflichtversicherung für elementare Naturgefahrenschäden immer lauter, die Schäden durch Hochwasser, Starkregen oder Lawinen abdeckt. Im Interview erklärt Anja Käfer-Rohrbach, stellvertretende Hauptgeschäftsführerin des GDV, warum eine Versicherung allein keine Lösung ist, und erläutert die zentralen Eckpunkte des vom GDV geforderten Gesamtkonzeptes an die Politik.

finanzwelt: Frau Käfer-Rohrbach, welche Position vertritt der GDV bei der viel diskutierten Einführung einer Elementar- Pflichtversicherung für Naturgefahrenschäden?

Anja Käfer-Rohrbach» Die Diskussion kommt regelmäßig nach schweren Hochwassern und Überschwemmungen auf und wird oft eindimensional geführt, so auch jetzt. Der Gedanke, alle müssen sich versichern und damit sind alle Probleme gelöst, klingt so beruhigend, dass die Politik ihn nur zu gern wiederholt. Nur, dass der Gedanke allein nicht trägt und eine nachhaltige Lösung für die eigentlichen Probleme erschwert: Niemand möchte Geld, um sein Haus das zweite, dritte oder vierte Mal aufzubauen. Die Menschen wollen sicher leben und keiner latenten Gefahr für Leben, Gesundheit und Sachwerte ausgesetzt sein. Eine Pflichtversicherung als alleiniges Mittel löst das Problem nicht, da sie keinen einzigen Schaden verhindert. Sie wird nur immer teurer, wenn die Schäden ungebremst zunehmen. Wir kommen nur weiter, wenn wir Klimawandelanpassung als gesamtgesellschaftliche Herausforderung begreifen. Dafür haben wir mit unseren Mitgliedsunternehmen ein Gesamtkonzept vorgelegt. Es sieht verbindliche Schritte zur Klimafolgenanpassung, privaten Versicherungsschutz und Risikoteilung zwischen privaten Versicherern und dem Staat für den Fall extremer Naturkatastrophen vor.

finanzwelt: Wie hoch ist aktuell die Versicherungsdichte beim Elementarschutz in den einzelnen Bundesländern? Wie sieht es in den gefährdeten Gebieten aus?

Käfer-Rohrbach» In Deutschland ist aktuell gut jeder zweite Hausbesitzende, exakt 54 %, versichert. Die Unterschiede in der Republik sind dabei groß. So profitiert Baden-Württemberg noch von der Monopolversicherung, die bis 1994 existierte, mit 94 % Versicherten, während es in Niedersachsen nur 35 % sind. Auch dort, wo Menschen sehr häufig von Hochwasser bedroht sind, bieten unsere Unternehmen Versicherungsschutz an. Wir wollen versichern, das ist unser Job.

finanzwelt: Was sind die zentralen Eckpunkte des von Ihnen geforderten Gesamtkonzeptes?

Käfer-Rohrbach» Das wichtigste Element unseres Drei-Punkte- Naturgefahrenabsicherungssystems ist die Prävention. Wir müssen endlich planen, bauen und sanieren, wie es die Anpassung an den Klimawandel erfordert. Dazu gehört ein sofortiger Baustopp in ausgewiesenen Überschwemmungsgebieten. Es muss ähnlich wie in der Schweiz sogenannte rote Zonen geben, in denen nicht gebaut werden darf. Genauso wichtig ist es, die Flächenversiegelung zu stoppen und Städtebau und Starkregengefahr zusammenzudenken.

finanzwelt: Darüber hinaus haben Sie einen Forderungskatalog an die Politik vorgelegt, in dem diese Anforderungen weiter konkretisiert werden. Können Sie kurz einige wichtige Beispiele nennen?

Käfer-Rohrbach» Ein Instrument ist der Naturgefahrenausweis, der die Schadenanfälligkeit von Gebäuden durch Naturgefahren transparent macht. Ewas ähnliches hat der Gesetzgeber mit dem Energieausweis für Gebäude bereits vorgelegt. Hier kann man anknüpfen. In allem brauchen wir Transparenz, das heißt, die Menschen müssen sich über Risiken und mögliche Prävention ihrer Häuser unkompliziert informieren können. Wir fordern deshalb ein bundesweites Naturgefahrenportal, wie es unsere Nachbarn in Österreich schon lang etabliert haben.