Die Macht der EZB
18.03.2015
Steven Bell, Global Asset Management, BMO
**„finanzwelt" sprach mit *Steven Bell, Chefvolkswirt der britischen Fondsgesellschaft F&C Investments, über die Auswirkungen der EZB-Politik auf den Bond-Markt. finanzwelt*: Jüngst hat die EZB mit ihrem Quantitative-Easing-Programm begonnen, welchen Einfluss hat das auf den europäischen Anleihemarkt?
Bell: Seit die EZB am 22. Januar ihr Quantitative-Easing-Programm (QE-Programm) verkündete, sind die Renditen europäischer Anleihen und der Wert des Euro gefallen. Die zehnjährige Bundesanleihe rentierte vor der Ankündigung mit mageren 0,5 Prozent. Dieser Wert ist jedoch seit der Ankündigung noch einmal um die Hälfte gesunken. Die Wirkung des Programms geht vor allem auf dessen Umfang zurück – die EZB wird auf einigen europäischen Anleihenmärkten 100 Prozent des Netto-Emissionsvolumens aufkaufen. Sie wird jedoch zusätzlich verstärkt durch den negativen Einlagezins. Als die US-Notenbank Federal Reserve und die Bank of England ihre QE-Programme auflegten, zahlten sie den Handels- und Geschäftsbanken einen positiven Zins auf die hohen Rücklagen, die als Nebenprodukt des QE entstanden. Die EZB hingegen verlangt nun sogar 0,2 Prozent Strafzins. Das hat enormen Druck auf die Investoren aufgebaut, die nun verzweifelt versuchen, weiterhin eine positive Rendite in ihren Portfolios zu erzielen.
finanzwelt: Welche Konsequenzen sehen Sie für bestimmte Anleihesegmente in Europa wie zum Beispiel Staatsanleihen und Unternehmensanleihen?
Bell: Die Anleihemärkte von Ländern an der Peripherie Europas wie beispielsweise von Italien und Spanien haben vor diesem Hintergrund outperformt und rentieren mit einem Prozent über deutschen Bundesanleihen: Noch vor ein paar Jahren lagen die Spreads bei fünf beziehungsweise sechs Prozent. Diese bemerkenswerten Entwicklungen gehen ausschließlich auf das Verhalten der EZB zurück. Tatsächlich sind die Renditen auf UK Gilts und US Treasuries im gleichen Zeitraum gestiegen. Zehnjährige US-Schatzbriefe rentieren nahezu mit dem Doppelten dessen, was italienische oder spanische Staatsanleihen abwerfen, und mit dem fünffachen Ertrag französischer Staatspapiere. Die Investoren werden in längere Endfälligkeiten gezwungen, hin zu flacheren Ertragskurven und in riskantere Unternehmensanleihen. Es ist wenig überraschend, dass auch der Euro in diesem Zusammenhang an Wert verloren hat.
finanzwelt: Wo sehen Sie in den kommenden Monaten Chancen und Risiken für Bond-Investoren?
Bell: Die unwiderstehliche Macht der EZB hat viel vom Wert der europäischen Staatsanleihen zerstört. Solange das Programm läuft, ist eine Baisse-Einschätzung des Marktes nicht gerechtfertigt. Wenn sich jedoch, wie erwartet, die konjunkturellen Daten in Europa weiterhin verbessern, und die Deflationssorge nachlässt, dürften Investoren beginnen, über ein vorgezogenes Ende des Programms nachzudenken. Sollte die US-Notenbank Fed an ihrem Plan festhalten und Mitte des Jahres die Zinsen in den USA erhöhen, könnte es sein, dass sich europäische Anleihen der Wirkung nicht entziehen können. Ich gehe davon aus, dass die Renditen europäischer Bonds in einem Jahr deutlich höher sein werden als heute. Allerdings habe ich keine Eile, mich schon jetzt von den Papieren zu trennen.
(Das Interview führte Alexander Heftrich)