Die Geister die sie riefen
04.04.2022
Rolf Ehlhardt, Vermögensverwalter, I.C.M. Independent Capital Management Vermögensberatung Mannheim GmbH / Foto: © I.C.M.
Eine allgemeine Weisheit besagt: Irgendwann bekommt man alles zurück. Ursprünglich vor dem Hintergrund: Wer Gutes tut, …. . Aber auch, wer etwas Falsches tut, muss es irgendwann ausbaden.
Seit Jahren kritisiere ich die Strategie von Politikern und Notenbanken. Alles mit Schulden zu finanzieren, die Staatsfinanzierungen der Notenbanken durch die Hintertür und deren Zinsmanipulation in Richtung Null. Aber auch die permanente Arbeitsplatzverlagerung nach Asien zeigt jetzt ihren Pferdefuß. Obwohl wir aktuell die Nachteile der Abhängigkeit von Öl und Gas aus Russland sehr teuer erfahren, steuert Deutschland auf die nächste Abhängigkeit zu: Den Strom. Wir schließen relativ sichere Atomkraftwerke, während die Erstellung von erneuerbaren Stromquellen sich immer mehr verzögern. Jeder will sie, aber nicht in Sichtweite des eigenen Hauses. Andererseits planen wir mehr Stromverbrauch und schließen unsere Stromquellen. Alle erneuerbaren Stromerzeuger in Baden-Württemberg (Grün regiert) liefern zusammen etwa ein Drittel des Stromes des ATW Neckarsulm, das Ende 2022 geschlossen wird. Das kann eigentlich nicht gutgehen.
Dies ist zwar zunächst eine politische Entwicklung, die allerdings auch Auswirkungen auf die Kapitalmärkte haben wird. Volkswirtschaftlich gesehen erhöhen wir die Nachfrage und reduzieren gleichzeitig das Angebot. Das Ergebnis wird logischer Weise sein, dass die Preise steigen. Mit der Konsequenz, dass uns die hohe Inflation erhalten bleibt, dadurch der verfügbare Lohnanteil und infolgedessen die Konsumausgaben fallen. Eine Inflation, die in der Deflation endet? Die Preissteigerung ist sowieso noch höher als die offiziellen Zahlen. Würde man die Inflation z.B. in USA nach der Berechnungsmethode von 1980 ermitteln, wäre die Inflation dort bei 16 Prozent.
Es tut mir fast leid, dass ich mit meinen Befürchtungen in Sachen Inflation richtig liege. „Pandemie“ und „Ukraine“ sind, entgegen der Aussagen von Politik und Notenbanken, nicht die Ursache, sondern nur die Brandbeschleuniger. Das könnte bedeuten, dass der Tag der Unkontrollierbarkeit der Kapitalmärkte schneller nähergekommen ist.
Das größte Problem sind derzeit die Rohstoff-, vor allem die Energiepreise. Sie treffen fast alle Private, aber auch Unternehmen, bei denen der Druck auf die Gewinne zunimmt. Dies reduziert deren Bereitschaft zu größeren Gehaltserhöhungen. Die Weitergabe dieser Kosten erhöht andererseits die Kaufkraftverluste der Konsumenten. Die jetzt beschlossenen Maßnahmen werden nur für einen Teil und vor allem nur zeitweise die Probleme abmildern. Hoffnung besteht für in Richtung der OPEC, die durch Erhöhung der Förderquote den Ölpreis wieder etwas drücken könnte. Die Scheichs wissen, dass sie bei etwas reduzierten Preisen mehr Geld verdienen, als wenn die Weltwirtschaft in eine Rezession abdriften würde.
Begleiterscheinung der derzeitigen Situation ist, dass die Stimmung spürbar zurückgeht. Das beeinflusst die Konsumneigung der Privaten und die Investitionsplanungen der Unternehmen negativ, und damit die Risikobereitschaft der Banken bei Kreditvergaben. Die Notenbanken werden sich bemühen, den Tanz auf der Rasierklinge zu bewerkstelligen. Allzu viele Fehltritte können sie sich nicht leisten. Sie kämpfen jetzt gegen die Geister, die sie selbst gerufen haben.
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