Die Flitterwochen sind schon vorbei

17.01.2017

Karsten Junius, Chefökonom, Bank J. Safra Sarasin AG / Foto: © Bank J. Safra Sarasin

Die Erwartungen der Börse an die Politik des neuen US-Präsidenten sind hoch – vielleicht zu hoch

Seit der US-Präsidentschaftswahl kennen die Aktienmärkten und die Renditen von US-Staatsanleihen vor allem eine Richtung: Steil nach oben. Die Aussicht auf eine expansive Fiskalpolitik hat die Gewinn- und Inflationserwartungen beflügelt. Auf seiner ersten Pressekonferenz seit Monaten hat Trump aber viele Hoffnungen enttäuscht. Statt konkreter Politikvorschläge, die die Erwartungen der Finanzmärkte untermauerten, war der Wahlkämpfer Trump zurück. Die negative Börsenreaktion zeigt, dass die Flitterwochen von Trump und den Finanzmärkten bereits vor seiner "Krönung" vorbei sind.

Das Urteil der Finanzmärkte auf die Pressekonferenz von Donald Trump war eindeutig: Der US-Dollar, US-Renditen und Aktien fielen und drückten damit aus, dass die Euphorie nach seinem Wahlerfolg wohl etwas zu groß war. Die nach wie vor bestehende Gefahr ist, dass die Märkte sich auf ein perfektes politisches Umfeld eingestellt haben, bei dem die erwartete neue Wirtschaftspolitik schnelle Früchte trägt. Politische Prozesse verlaufen aber selten schnell, glatt und reibungslos. Sie kennen Gewinner und Verlierer. Vor allem die Verlierer werden erst klar, wenn Details über die beabsichtigten Gesetzesvorhaben bekannt werden. Der wichtige politische Prozess in und um den US-Kongress beginnt genau dann. Der Mangel an Details auf der Pressekonferenz von Trump hat die Finanzmärkte daher an einem wichtigen Punkt getroffen. Wenn sie keinen konkreten Fortschritt bei der Ausgestaltung der Politikvorstellungen sehen, dann können die Hoffnungen auf schon in diesem Jahr steigende Unternehmensgewinne wie ein Kartenhaus zusammenbrechen. Es bliebe allerdings die politische Unerfahrenheit des Präsidenten und eines Teils seiner wichtigsten Minister. Auch blieben die bremsenden Effekte des stärkeren US-Dollar und der gestiegenen US-Renditen. Die wichtigste greifbare Botschaft der Pressekonferenz war vielleicht, dass der neue US-Präsident internationalen Handel tatsächlich als Nullsummenspiel sieht. Was das eine Land gewinnt, verliert ein anderes. Protektionismus lässt sich so leicht rechtfertigen. Dies stellt einen wichtigen internationalen Konsens in Frage. In den Jahren nach der Finanzkrise von 2008 war es die gemeinsame Erkenntnis der großen Wirtschaftsmächte, dass erst der Protektionismus nach dem Börsencrash von 1929 zu der großen Depression stark beigetragen hat. Um eine Wiederholung dieser Entwicklungen zu verhindern, hatten sich Politiker vieler Lager und Länder gegen protektionistische Tendenzen und Währungskriege gewandt. Innenpolitisch mag es sich gut verkaufen, wenn der neue Präsident diesen oder jenen handelspolitischen «Sieg» gegen die vermeintlich unfaire ausländische Konkurrenz erringt. Darin liegt vermutlich die größte Gefahr, wenn die neue US-Administration keine konkreteren Details ihrer Politikvorschläge präsentiert: Wenn schnelle innenpolitische Reformen und Erfolge ausbleiben, dann könnte sie sich stärker mit außenpolitischen Erfolgen brüsten wollen. Kurzfristig mag dies die eine oder andere Wählergruppe zufrieden stellen. Mittelfristig würden Produktivität und Unternehmensgewinne global leiden. Vor allem für die auswärtigen «Hochzeitsgäste» am Freitag ist das kein Grund zu feiern.

Kolumne von Karsten Junius, Chefökonom J. Safra Sarasin AG