Die bevorstehenden Wahlen bergen Chance und Risiken
29.09.2016
Daniel Zindstein / Foto: © Zindstein Vermögensverwaltung GmbH
Italien, Niederlande, Frankreich, Deutschland
Italien steht vor der wichtigsten Abstimmung der letzten Jahrzehnte. Premierminister Renzi lässt am 4. Dezember 2016 das Volk über eine Verfassungsreform abstimmen, die aus unserer Sicht die Handlungsfähigkeit der politischen Institutionen erheblich verbessern würde. In der Vergangenheit blockierten sich die unterschiedlichen Kammern sowie die Justiz meist gegenseitig. Doch mit diesem, an sich sinnvollen Referendum, ist auch die politische Zukunft des Premierministers verbunden. Sollte das Volk die Gelegenheit missbrauchen, um mit den etablierten politischen Akteuren, mit Europa, der Globalisierung und was sonst noch allem, abrechnen zu wollen, wie das ja zurzeit Mode zu sein scheint in der westlichen Welt, droht eine chaotische Situation. Ein Rücktritt des Regierungs-Chefs wäre wohl unumgänglich und die zum Teil radikalen Europa-Gegner würden erheblichen Auftrieb bekommen. Also wieder einmal eine Schicksals-Wahl um die Zukunft Europas? Die Finanzmärkte werden in gewohnter Manier im Vorfeld von Nervosität geprägt sein.
Die Niederländer sind dann im März 2017 zur Parlamentsabstimmung aufgerufen. Aufgrund der wirtschaftlichen Lage wäre dieses Datum eigentlich nicht kritisch zu sehen. Denn nach Überwindung der Eurokrise geht es in diesem europäischen Kernland seit 2014 relativ stetig aufwärts. Letztes Jahr lag das Wirtschaftswachstum mit 2,0% über dem von Deutschland. Die dortige Immobilienkrise scheint überwunden und es sind sogar Steuerentlastungspakete verabschiedet worden. Doch auch in unserem Nachbarland brodelt es. Die Flüchtlingsthematik ist ähnlich virulent wie hierzulande und die Ängste um mögliche Belastungen eines etwaigen Brexit sind bei den Holländern am deutlichsten zu spüren. Die Stimmung im Volk könnte auch hier in Richtung „Denkzettel für alles was man schlecht findet“ münden, und an der Wahlurne für skurrile Ergebnisse sorgen.
Langsam nähern wir uns den Höhepunkten der politischen Ereignisse in Europa in den nächsten 12 Monaten. Frankreich, die zweitgrößte Volkswirtschaft in der Eurozone, wählt im April 2017 einen neuen Staats-Präsidenten. Dieses Amt des Staatsoberhauptes ist gleichzeitig mit unvergleichlich hohen politischen Kompetenzen ausgestattet. Doch selbst diese für einen europäischen Politiker überdurchschnittliche Machtfülle, hat in den vergangenen fünf Jahren nicht dazu geführt echte, sinnvolle Strukturreformen durchzuführen, die die wirtschaftliche und fiskalische Malaise der französischen Wirtschaft beendet hätte. Zu stark sind in unserem Nachbarland die Machtstrukturen ideologisch geprägter Lobbygruppierungen, wie zum Beispiel kommunistischer Gewerkschaften und Studentenverbände. Ein Land, das seit Jahrzehnten eine Deindustrialisierung erlebt, zentralistisch und zudem sozialistisch regiert wird, und seit den 70er Jahren die Staatsverschuldung immer weiter erhöht hat (allein in den letzten drei Jahren stieg der Schuldenberg um 350 Milliarden Euro) steht ganz zweifellos vor einer echten Schicksalswahl. Aus heutiger Sicht könnte es reiner Zufall sein, ob es für einen Kandidaten aus den etablierten Parteien reicht, oder Madame Le Pen die Macht erringen kann, sollte beispielsweise ein Terroranschlag unmittelbar vor der Wahl stattfinden. Große Verunsicherung wird im Vorfeld der Wahl die Märkte dominieren und, sollte der oben beschriebene Fall eintreten, auch nach der Wahl vorherrschen.
Geradezu ein Hort politischer Stabilität scheint auf Sicht von einem Jahr dagegen die Bundestagswahl zu werden. Trotz AfD-Hybris und Kanzlerinnen-Dämmerung fließt bis dahin noch viel Wasser den Rhein und die Donau hinab, was so viel heißt wie, Frau Merkel hat noch genügend Zeit, in den Umfragen wieder an Ansehen zu gewinnen. Darüber hinaus ergeben sich für die Kanzlerin genügend Gelegenheiten (siehe bisherige Aufzählungen), sich in Europa politisch zu profilieren, Krisen zu schlichten und als Regierungs-Chefin der stärksten Volkswirtschaft Europas aufzutreten und Stabilität und Verlässlichkeit zu personifizieren. Darüber hinaus geht es den Deutschen aktuell so gut wie nie zuvor! Wer sollte so jemanden nicht wiederwählen?
Fortsetzung auf Seite 3