Die antivirale Bazooka

24.03.2020

Dr. Martin Lück, Leiter Kapitalmarktstrategie in Deutschland, der Schweiz, Österreich und Osteuropa bei BlackRock / Foto: © BlackRock

Die Suche nach dem Boden der Rezession wird derweil zur Königsdisziplin der Volkswirte, aber was wie solide ökonomische Datenanalyse aussieht, ist wohl eher ein Stochern im Nebel. Zahlen von den Mutigen, die sich mit Prognosen heraustrauen, sehen dramatisch aus. So hat die von uns sehr geschätzte UBS Investmentbank ihre BIP-Schätzung für China für das Jahr 2020 auf 1,5 % revidiert. Wohlgemerkt: Bis dato waren wir für China, das die Epidemie ja weitestgehend hinter sich hat, Größenordnungen von rund 6 % gewohnt. Für Singapur, das es ebenfalls geschafft hat, den Coronavirus-Ausbruch einzudämmen, wird gar eine Kontraktion um 7 % erwartet, für Europa um 4,5 %. Für die USA, wo die volle Wucht der Epidemie wohl erst in ein paar Wochen zu sehen sein wird, betrug die Schätzung für das zweite Quartal -10 %. Das sind apokalyptische Zahlen, und dennoch sind sie vermutlich noch nicht ausreichend, um das wahre Ausmaß abzubilden, außerdem höchstwahrscheinlich nach wenigen Tagen bereits wieder überholt. Die Analysten der ebenfalls hochgeschätzten Investmentbank Morgan Stanley haben Anfang dieser Woche das US-BIP in Q2 auf -30 % veranschlagt.

Was das für Anleger bedeutet

Für Entwarnung erscheint es vor allem angesichts des noch kaum absehbaren, vermutlich aber haarsträubenden ökonomischen Schadens in den USA und anderswo noch zu früh. Gerade die schnell steigenden US-Fallzahlen – am gestrigen Montag hatte sich die Zahl der Infizierten gegenüber dem Vormontag fast verzehnfacht – deuten auf einen Corona-Tsunami hin, der auf ein völlig unzureichendes Gesundheitssystem trifft. Dabei dürften die tatsächlichen Fallzahlen noch deutlich höher sein, denn in den USA wurden bisher – Stand gestern - nur 254.000 Tests durchgeführt – bei einer Bevölkerung von über 330 Millionen. Das Risiko also, dass die Zahlen bzgl. Epidemie-Verlauf und ökonomischen Konsequenzen noch deutlich schlechter werden, dürfte also größer sein als die Hoffnung auf baldige Besserung. Für Anleger, die auf Gelegenheit zum Einsteigen warten, vielleicht ein Grund, ihr Pulver eher noch trocken zu halten.

Marktkommentar von Dr. Martin Lück, Leiter Kapitalmarktstrategie in Deutschland, der Schweiz, Österreich und Osteuropa bei BlackRock