Deutsche Kleinunternehmer haben große Sorgen

01.09.2015

Deutschland ist ein wichtiger Industriestandort mit einer vom Mittelstand getragenen Wirtschaft. Laut einer Studie von Hiscox muss sich die Politik jetzt vor allem um Kleinunternehmer kümmern.

2015-09-02 (fw/db) Bei Kleinunternehmen in Europa und den USA macht sich eine positive Stimmung in der Geschäftserwartung breit, während im Musterland Europas die Zuversicht zwar auf anhaltend hohem Niveau bleibt, allerdings von anderen Ländern überholt wurde.

Mehr als die Hälfte der vom Versicherer Hiscox in einer Studie befragten Kleinunternehmer (61%) in Deutschland erwarten in den kommenden zwölf Monaten eine Verbesserung ihrer wirtschaftlichen Lage (2014: 60%; 2013: 59%). Damit ist Deutschland im Optimismus-Ranking des jährlich erstellten „Hiscox DNA of an Entrepreneur Report 2015“ innerhalb von zwei Jahren von Rang 1 (2013) auf Rang 5 (2015) abgerutscht.

Überholt wurde Deutschland von den USA (2015: 69%; 2014: 63%; 2013: 57%), den Niederlanden (2015: 65%; 2014: 52%; 2013: 49%), dem Krisenland Spanien (2015: 65%; 2014: 60%; 2013: 47%) und Großbritannien (2015: 64%; 2014: 58%; 2013: 51%). Schlusslicht bleibt Frankreich mit nur 43 Prozent Optimisten (2014: 43%; 2013: 43%).

Tobias Wenhart, Manager Products & Underwriting bei Hiscox, kommentiert: „Ganz offensichtlich ist in Deutschland die Skepsis hinsichtlich einer weiterhin ansteigenden Wirtschaftsleistung größer als in den anderen untersuchten Ländern. Das zeigt sich auch daran, dass lediglich 18 Prozent der befragten deutschen Kleinunternehmer ihre Investitionen in den kommenden 12 Monaten steigern wollen. Auch planen nur 48 Prozent der befragten Unternehmen, im kommenden Jahr ein neues Produkt oder eine neue Dienstleistung auf den Markt zu bringen.“

Keine Unterstützung durch Politik und Verwaltung

Deutliche Kritik üben Deutschlands Kleinunternehmer an der Politik: Nicht einmal ein Drittel (32 Prozent) fühlt sich durch die Regierungspolitik unterstützt. Gefragt, was sie sich von ihrer Regierung erwarten, nennen 83 Prozent eine geringere direkte Unternehmensbesteuerung, drei Viertel (74 Prozent) vereinfachte Rechnungslegungsvorschriften und 71 Prozent stärkere staatliche Anreize für Banken, in Unternehmen zu investieren. Aber die Hoffnung ist gering: Nur 7 Prozent erwarten, dass sich die Lage verbessert. 41 Prozent rechnen in Zukunft sogar mit noch stärkeren politischen Hürden. Gestiegen ist der Aufwand für die Bewältigung staatlicher Bürokratie: Deutsche Kleinunternehmer wenden pro Woche drei Stunden und 46 Minuten für bürokratische Anforderungen auf – 30 Minuten mehr als im Vorjahr und über 30 Minuten mehr als der Durchschnitt aller untersuchten Länder (3h 13 min).  

Deutschland – ein Unternehmerland?

Unternehmertum ist immer auch eine Geisteshaltung: Zwei Drittel (66 Prozent) der Befragten sehen die Fähigkeit, hart zu arbeiten als Schlüsseleigenschaft eines Unternehmers. Deutsche und US-Amerikaner liegen hier vorne. Bei der Frage, in welchen Ländern unternehmerisches Denken am stärksten verbreitet sei, landet Deutschland in vier der sechs untersuchten Länder auf dem dritten Rang, in zweien auf dem zweiten. Wenig überraschend fast durchgehend der Spitzenreiter: Die USA. Außer den Niederländern sehen die Befragten aller Nationen die USA als das Land mit dem stärksten unternehmerischen Denken.

Neue Gefahren, neuer Schutz

Unternehmertum bedeutet auch, kalkuliert Risiken zu wagen. Mit der Digitalisierung verändert sich die Gefahrenlage für kleine und mittlere Unternehmen jedoch fundamental und in hoher Geschwindigkeit. Die Studie zeigt: die befragten Unternehmen beginnen, sich auf neue Gefahren einzustellen. So nennen die Studienteilnehmer sowohl Hacking und Cyberkriminalität mit 19 Prozent als auch den Verlust geistigen Eigentums mit 18 Prozent unter den Top fünf der nicht versicherten Hauptrisiken.

Es ist ein gutes Zeichen, dass viele Unternehmen ihre Versicherungslücken erkennen“, kommentiert Hiscox-Experte Wenhart, „Doch diese müssen dann natürlich auch geschlossen werden.“

Beim Thema Versicherungen besteht jedoch deutlicher Aufklärungsbedarf: Nur 31 Prozent der deutschen Unternehmen geben selbst an zu wissen, welche Risiken sie versichern können, und 19 Prozent aller Befragten besitzen nach eigenen Angaben keinerlei Versicherungen.

Hier finden interessierte Leser und Nutzer der finanzwelt den Hiscox DNA of an Entrepreneur Report 2015.

Dietmar Braun