Deutliche Straffung der Geldpolitik in den USA
18.02.2022
Gergely Majoros, Mitglied des Investment Committee von Carmignac / Foto: © Carmignac
Anfang vergangenen Jahres waren sich die Finanzmarktakteure weitestgehend einig darüber, dass die Weltwirtschaft 2021 wieder auf die Beine kommen sollte. Das trat dann auch ein. Zur Jahresschwelle 2021/2022 befindet sich die globale Wirtschaft in einer soliden Wachstumsphase. Mit Blick auf das neue Jahr dürfte es mitunter etwas ungemütlicher an den Kapitalmärkten werden. Dennoch, der Blick auf das große Gesamtbild ist nicht negativ. Eben voraussichtlich mehr Wolken als 2021. Welche konkreten Erwartungen lassen sich mit 2022 verbinden? Was bringt beispielsweise China, das 2021 im internationalen Vergleich doch etwas im Schatten gestanden hat? Sehen wir eine zunehmende Entkoppelung der Geldpolitik dies- und jenseits des Atlantiks? Der finanzwelt-Redaktion bot sich zum Jahreswechsel die Gelegenheit eines Interviews mit Gergely Majoros, Mitglied des Investment Committee von Carmignac.
finanzwelt: Herr Majoros, wie fällt Ihr Blick auf die Kapitalmärkte zur Jahreswende 2021/2022 aus? Gergely Majoros» Das starke Börsenjahr 2020 hatte uns für das Jahr 2021 eher vorsichtig gestimmt. Schließlich sind die Aktienmärkte dann doch insgesamt wieder gut gelaufen. Wir haben aber signifikante Rotationen im Markt erlebt. In den letzten Monaten sind die Aktienmärkte sogar sehr eng geworden, das heißt immer weniger Aktien haben den Gesamtmarkt nach oben bewegt. Bei Rentenmärkten mussten Anleger angesichts des niedrigen Zinsniveaus und steigender Inflationserwartungen noch viel selektiver vorgehen. Also insgesamt war dieses Jahr ein Kapitalmarktjahr, das in der Portfolioallokation eine besondere Bedeutung der Flexibilität beigemessen hat. Zugleich machten sich die ersten Anzeichen einer wirtschaftlichen Verlangsamung im kommenden Jahr bemerkbar.
finanzwelt: Sie sprechen den Ausblick 2022 an. Der Aufschwung verliert etwas an Kraft. Welche Faktoren machen Sie für Ihre wirtschaftliche Einschätzung der Gesamtlage letztlich aus? Majoros» Wir sind der Ansicht, dass sich in den letzten Monaten die Risiken für die wirtschaftlichen Perspektiven erhöht haben. In diesem Zusammenhang machen wir vier ungünstige Faktoren aus, die zur Verlangsamung der Weltkonjunktur weiter beitragen werden: das Aufflackern einer erneuten COVID-Welle, einen Energiepreisschock, die Verlangsamung im Deutliche Straffung der Geldpolitik in den USA chinesischen Immobiliensektor sowie die Straffung der Geldpolitik in den Schwellenländern und den angelsächsischen Ländern, unter anderem in den USA.
finanzwelt: Sie erwähnten die Geldpolitik. Eine restriktivere Gangart, insbesondere in den USA, steht im Raum. Auslöser hierfür ist auch anziehende Inflation. Nur ein temporäres Phänomen? Majoros» An dieser Stelle müssen wir eindeutig zwischen den Entwicklungen in den USA und Europa unterscheiden. In den Vereinigten Staaten vermehren sich die Gründe für eine anhaltend höhere Inflation, beispielsweise die Entwicklung der Mietkosten, die Situation am Arbeitsmarkt. Wir erwarten, dass die Inflation in den USA auf vergleichsweise hohem Niveau verharren wird. Daher muss sich der Finanzmarkt auf eine deutliche Straffung der Geldpolitik einstellen. Eine vergleichbare nachhaltige Entwicklung der Inflation in Europa können wir jedoch nicht erkennen. In Europa erwarten wir auch eine Straffung der aktuellen Geldpolitik, diese sollte aber tendenziell akkommodativer bleiben als in den USA.
finanzwelt: Das führt uns auch zur Frage, wie attraktiv einzelne Assetklassen sind. Stehen die Ampeln für Aktien noch auf Grün? Majoros» Generell lässt sich festhalten, dass Aktien immer attraktiver bleiben als Renten. Angesichts des sich etwas eintrübenden wirtschaftlichen Umfelds empfiehlt es sich, im Aktienbereich jedoch den Fokus auf Qualitäts- und Wachstumsunternehmen zu legen. An den Rentenmärkten treiben indes die hohe Inflation und die damit einhergehenden nochmals fallenden, realen Renditen die Gemüter weiter um.
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