Der Zins - das trojanische Pferd

07.10.2019

Rolf Ehlhardt, Vermögensverwalter, I.C.M. Independent Capital Management Vermögensberatung Mannheim GmbH / Foto: © I.C.M.

Es könnte auch schon vorher zum Eklat kommen, wenn die Immobilienpreise deutlich fallen und die finanzierende Bank „Nachschüsse“ fordert, weil die Finanzierungsgrenze (um Beispiel 80 Prozent des Verkehrswertes) überschritten wurde. Die Auswirkungen auf Konsum, Wirtschaft und Beschäftigung dürften auch einem Laien klar sein.

Eine zwar bemerkte, aber wohlwollend geduldete Fehlentwicklung ist der immer höher und auch immer schneller steigende Schuldenberg. Sowohl Staat, Unternehmen als auch Private leben in den wichtigsten Ländern über ihre Verhältnisse. Allerdings beweisen aktuelle Statistiken, dass weitere Kredite immer weniger Wirkung auf das Wirtschaftswachstum haben. In USA kommen von einem Dollar Kredit nur knapp über 30 Cent in der Wirtschaft an.

Begleitet und verstärkt wird die Abschwächung durch den Handelskrieg der zwei größten Wirtschaften. Deutschland wird als Exportweltmeister besonders von dieser Entwicklung getroffen. In den letzten neun Monaten waren die Auftragseingänge langlebiger Güter negativ. Mit der Dämonisierung der Autoindustrie schaden wir unserem eigenen Industriezweig, der immerhin rund 20 Prozent zum BIP beträgt. Kein Leichtathlet würde sich selbst ins Knie schießen und glauben, er könne jetzt schneller laufen.

Die Manipulation der EZB den Anlegerzins auf bzw. unter Null (Minuszins) zu drücken, wird für die künftigen Rentner zum Problem werden. Mit der Druckerpresse werden nun mal die Probleme nicht gelöst, sondern in die Zukunft verschoben. Die deutschen Sparer, die im hohem Maße in Zinsanlagen anlegen und nicht in Aktien, verlieren jährlich Kaufkraft. Dem Anleger sind mittlerweile über 750 Mrd. an Zinseinnahmen verloren gegangen.

Auch die geschätzten Ablaufleistungen der Lebensversicherungen reduzieren sich jährlich. Pensionskassen müssen ihre ursprünglich errechneten Zuschüsse im Alter immer weiter senken. Der jungen Generation fällt es immer schwerer risikolos für ihr Alter vorzusorgen. Parallel dazu erhöht die Politik permanent den Rentenanteil, der der Versteuerung unterliegt. So schafft man die Basis für soziale Unruhen. Wenn Politiker vor Altersarmut warnen, dann warnen sie auch vor sich selbst.

Ein großes Problem ist die Zinsentwicklung für die Bankenbranche, deren Geschäftsmodell sich permanent verschlechtert. Die Gefahr einer Bankenkrise wächst (siehe Index EuroStoxx Banks). Und damit das Risiko von Bankenpleiten. Äußerst problematisch wäre dieses Szenario für die Anlagen in ETF´s, die bei Ausfall des Emittenten (um Beispiel Lehman Brothers) wertlos werden können. Die Anleger haben immerhin 4,68 Milliarden in diesem Segment investiert.

Die massive Erweiterung der Geldmenge bildete in der Vergangenheit stets die Basis für eine kräftig steigende Inflationsrate, wobei die Lebenshaltungskosten heute schon viel höher sind, als die öffentlichen Verlautbarungen. Sollten auch die offiziellen Inflationszahlen über die als „Ziel“ ausgegebenen zwei Prozent klettern, kann die EZB nicht durch steigende Zinsen gegensteuern. Spätestens dann werden die Kapitalmärkte über die Sinnhaftigkeit der MMT nachdenken. Sollten sie zur Erkenntnis kommen, dass dieser Versuch gescheitert ist, werden die Zinsen an den Märkten anziehen, obwohl die Notenbanken dies verhindern wollen. Man muss sich heute sogar fragen, ob der Euro die nächste Finanzkrise oder Rezession überlebt. Die Auswirkungen auf die Kreditwirtschaft, die Börsen, den Konsum, das Wachstum und auf die Länderfinanzierung werden katastrophal sein.

Ein klarer Hinweis, dass die derzeitige Entwicklung mit hohen Risiken behaftet ist, ist der in 2019 um ca. 20 Prozent gestiegene Goldpreis, der immer mehr zum „sicheren Hafen“ wird. Die Notenbanken können nämlich kein Gold drucken. Wer heute von Zombie-Unternehmen, von Voodoo-Economics oder Wohlstandsillusion spricht, wer die Notenbankpolitik massiv kritisiert, wird von der Mainstreampresse schnell als Verschwörungstheoretiker abqualifiziert und diffamiert. Wie sagte man früher schon: Wer die Wahrheit spricht, braucht ein schnelles Pferd.

Kolumne von Rolf Ehlhardt, Vermögensverwalter, I.C.M. Independent Capital Management Vermögensberatung Mannheim GmbH