Der Tanz mit der Kurve

21.04.2020

Dr. Martin Lück, Leiter Kapitalmarktstrategie in Deutschland, der Schweiz, Österreich und Osteuropa bei BlackRock / Foto: © BlackRock

Diesem Problem versucht die zweite Strategie, welche gegenwärtig großen Einfluss auf die Politik zu haben scheint, zu begegnen. Sie wird von der Helmholtz-Gesellschaft Deutscher Forschungszentren befürwortet und sieht vor, den Lockdown noch einige Wochen länger in möglichst stringenter Form, also idealerweise ohne Ausnahmen, durchzuhalten. Das Ziel hierbei ist, die Neuinfektionszahlen auf wenige hundert pro Tag zu drücken, eine Zahl also, welche die Rückverfolgung jedes Einzelfalles ermöglicht. In Kombination mit Tracing Apps für Mobiltelefone wäre es dann denkbar, Menschen mit Infektionsrisiko schnell zu isolieren, so dass sich insgesamt die wirtschaftliche Aktivität wieder deutlich umfassender öffnen ließe. Unterm Strich nimmt diese Strategie also ex ante höhere volkswirtschaftliche Kosten in Kauf, quasi als Investition in eine anschließende Rückkehr zu weitgehender Normalität. Südkorea hat mit einer ähnlichen Strategie die Covid-Epidemie erfolgreich eingedämmt. Während die Politik eine Art Mittelweg zwischen diesen beiden Strategien zu versuchen scheint, klingt es im Bereich der wirtschaftspolitischen Maßnahmen zur Bekämpfung der Krise parteiübergreifend nach einer Fortsetzung des „Whatever It Takes“. Proteste aus dem Gastronomiegewerbe, das als erstes unter den Lockdown-Maßnahmen zu leiden hatte und nun mit als letztes aus diesen entlassen werden dürfte, scheinen erhört zu werden: Umsatzsteuersenkungen sind offenbar auf dem Weg. Ebenso könnte branchenübergreifend das Kurzarbeitergeld von 60 % auf 80 % des Nettolohnes erhöht werden, um Haushaltseinkommen zu erhalten und einem Nachfrageeinbruch vorzubeugen. Rund eine Dreiviertelmillion Betriebe hat bereits Kurzarbeit angemeldet. Dies alles wird also viel Geld kosten und könnte die staatliche Verschuldungsquote über die bisher geschätzten 75 % des BIP ansteigen lassen.

Was das für Anleger bedeutet

Für Aktieninvestoren bietet die gegenwärtige Lage einen Mix aus Chancen und Risiken. Auf der Seite der Chancen locken sehr niedrige Zinsen und üppige Liquidität, eine Kombination, die nach Normalisierung des Wirtschaftsgeschehens Firmenumsätze und -gewinne sprudeln lassen könnte. Auf der Risikoseite ist dagegen die anhaltende Unsicherheit zu nennen, verbunden mit der jetzt gerade anlaufenden Berichtssaison für Q1. So manches Unternehmen dürfte den Quartalsbericht nutzten, um Investoren auf dürre Zeiten einzustimmen. Es kommt also wie immer auf die Perspektive an. Aber da Aktien ein Langfristinvestment sind, eignet sich auch ein unsicheres Umfeld wie das der Corona-Krise, um mit regelmäßigen Anlagebeträgen Vermögen aufzubauen. Vieles spricht dafür, dass Anleger schon auf mittlere Sicht von einer derartigen Strategie profitieren werden."

Markommentar von Dr. Martin Lück, Leiter Kapitalmarktstrategie in Deutschland, der Schweiz, Österreich und Osteuropa bei BlackRock