Der Staat im Staat

08.06.2021

Gerhard Rosenbauer, CREDO Vermögensmanagement GmbH / Foto: © CREDO

Die jüngste Entwicklung der Inflationsrate ist ein gewünschter Effekt der Notenbanken. Der vielfach in der Corona-Pandemie vorgezogene Altersruhestand bei vielen Arbeitnehmern sowie der Mangel an qualifiziertem Personal hat die Löhne bereits ansteigen lassen. Eine höhere Inflation zusammen mit einem weiterhin niedrigen Nominalzinsniveau lässt den Realzins noch weiter ins Negative abgleiten und den Sparer um sein Vermögen bangen. Von dieser Entwicklung ist auch die gesamte Altersversorgung künftiger Rentner betroffen. Allerdings, so ist zu konstatieren, entschuldet sich der Staat! Und nur darauf kommt es aus Sicht der EZB an.

Die EZB ist ja bekanntlich Eigentümerin der nationalen Notenbanken. Diese Tochtergesellschaften der EZB wurden bereits in die Haftung für unbegrenzte Garantiezusagen genommen zur Vermeidung von Abschreibungsverlusten und zu weiterführenden Schritten hin zu einer Transferunion geführt.

Um die wirtschaftlichen und sozialen Auswirkungen der Pandemie abzufedern, wurde inzwischen ein riesiger Nebenhaushalt mit gesamtschuldnerischer Haftung, der Europäische Wiederaufbaufonds, beschlossen. Damit sollte ein weiterer Meilenstein auf dem Weg in die Transferunion bewältigt worden sein. Andere Hilfsprogramme beiderseits des Atlantiks lassen befürchten, dass es zu einem wirtschaftlichen Overkill kommt mit der Folge, dass von Seiten der Notenbanken energischer auf die Bremse getreten wer-den muss. Dieses Szenario würde eingedenk der hohen Verschuldung zu einem welt-wirtschaftlichen Desaster führen.

Die EZB geht davon aus, dass nur durch den absichtlichen Bruch der von den EU-Mitgliedsstaaten selbst formulierten Regeln, wie beispielsweise die Maastricht-Kriterien, No-Bail-Out oder Verbot der monetären Staatsfinanzierung, aufrecht erhalten werden kann. Ist die EZB der Staat im Staat? Neben der Geldpolitik nimmt die EZB inzwischen auch in der Wirtschaftspolitik der EU das Zepter in die Hand. Von einem deutschen Wirtschaftsminister, der Rahmenbedingungen und Leitplanken festlegen sollte, habe ich schon lange nichts Wegweisendes mehr gehört. Mit Blick auf die politische Schwäche in der größten europäischen Volkswirtschaft bleibt gar nichts anderes übrig, als das Heft in die Hand zu nehmen. Dabei sollte es Ziel sein, die Wettbewerbsfähigkeit in der EU zu erhöhen und die wirtschaftlichen und geopolitischen Herausforderungen anzunehmen. Denn wir sind ja schließlich nicht alternativlos, um es in Anlehnung an ein Zitat unserer Bundes-Angelika zu formulieren.

Mit der Fortführung der gegenwärtigen Geldpolitik sind folgende Gefahren verbunden: - Die Anzeichen einer zunehmenden Inflation mehren sich. Sollte die Geldwertstabilität weiterhin Bestand haben, müssten die Anleihekäufe der Notenbanken sukzessive zurück gefahren werden. Auch, wenn dies hinsichtlich der Staatsfinanzierung in einigen Ländern zu Verwerfungen führen kann. Der wirtschaftliche Bereinigungsprozess wird außer Kraft gesetzt. Wirtschaftlich nicht überlebensfähige Unternehmen werden „durchgeschleppt“. Die Wettbewerbsfähigkeit wird deutlich verringert. In Deutschland ist diese Entwicklung seit Jahrzehnten bereits sichtbar.

- Das Anspruchsdenken in allen Bereichen, dass der Staat für eine „Vollkasko-Sicherheit“ seiner Wirtschaftssubjekte verantwortlich ist, hat sich weiter verfestigt. Die Selbstverantwortung jedes Einzelnen wird weiter ausgehöhlt. Damit fei-ert der bereits als überwunden geglaubte Sozialismus eine Renaissance.

- Mit dem Europäischen Wiederaufbaufonds nimmt die Europäische Kommission erstmals Schulden auf, die von den Mitgliedsstaaten gemeinsam garantiert wer-den. Wird dies fortgesetzt, dürfte sich die Kluft zwischen armen und reichen Ländern vergrößern und die Solidarität gefährden.

Vor dem Hintergrund der vorstehend aufgeführten Punkte und Anmerkungen sollte sich die EZB wieder auf ihren ursprünglichen Auftrag besinnen und ihre Handlungs-weise in Einklang mit den EU-Verträgen bringen. Ein symmetrisches Inflationsziel ist sicherlich nicht mit den EU-Verträgen kompatibel. Ebenso steht die Vergemeinschaftung der Schulden nicht in diesen Verträgen – im Gegenteil. Die vom Bundesverfassungsgericht angemahnte Verhältnismäßigkeitsprüfung findet ebenfalls nicht statt. Die Unterstützung der EZB für den „European Green Deal“ ist eine einseitige Parteinahme. Für die ungehemmte und durch die Hintertüre erfolgte Staatsfinanzierung wird am En-de niemand zur Rechenschaft gezogen. Der vielbeschworene Rechtsstaat wird zunehmend für die Interessen staatlicher Institutionen ausgehebelt. Die Rechnung bezahlt im Wesentlichen der Bürger und „Otto-Normalverbraucher“, denn diese haben ihre politischen Vertreter ganz legal gewählt – oder? Es wäre deshalb sehr wünschenswert, dass unsere gewählten Politiker endlich den Mumm aufbringen, dem Staat im Staat energisch entgegenzutreten. Dazu gehört jedoch Mut und Charakter.

Kolumne von Gerhard Rosenbauer, CREDO Vermögensmanagement GmbH in Nürnberg

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