Der große Quatsch vom„Superpool“ und andere Storys aus der InsurTech-Szene

10.05.2019

Oliver Pradetto, Geschäftsführer blau direkt / Foto: © blau direkt

Das ist toll, hat aber einen Haken: Du kannst das Geld als Fondsbetreiber nicht liegen lassen oder einfach in sichere Anleihen investieren, wenn du nix ordentliches zum Investieren findest. Du musst das Geld ausgeben und du musst es in InsurTechs investieren, denn das hast du im Prospekt versprochen. Aber wo zum Teufel investierst du 30 Milliarden? China und Russland haben ihre Märkte verschlossen. Afrika und Ozeanien haben keinen relevanten Markt. Was bleibt sind Amerika, Europa und der Rest aus Indien, Südamerika, Japan, Südkorea und Singapur. Investierst du ungefähr nach Größe der Märkte, fließt etwa ein Drittel nach Europa. In Europa ist der wichtigste Markt Deutschland. Egal wie du es drehst, du musst demnach mindestens zwei, eher drei Milliarden in deutsche InsurTechs investieren.

Dass das keine bloße Theorie meinerseits ist, deuten die Investments schon jetzt an. Die deutschen InsurTechs erhielten 2016 insgesamt etwas weniger als 90 Millionen, 2017 bereits rund 180 Millionen. Im aktuellen Jahr sind es bereits jetzt 220 Millionen und während ich das schreibe, ist noch nicht einmal das erste Quartal um. Viel Geld und es verpufft größtenteils, denn nicht ein einziges relevantes InsurTech schreibt schwarze Zahlen. Alle deutschen InsurTechs sind nach einer klassischen Wertermittlung zusammen keine 20 Mio. Euro wert. Die Frage ist: Wo zum Teufel willst du also zwei Milliarden investieren? Wenn es aussichtlos ist, dass die InsurTechs aus eigener Kraft ein Wachstum generieren, das solche Investitionen rechtfertigt, bleibt nur eine Lösung: Zukaufen!

Auch das beobachten wir schon längst: Führende InsurTechs wie Clark und wefox kommunizieren zwar kräftig ihre disruptiven Ideen. Die Wahrheit ist jedoch, dass sie alles, was sie an ernstem Volumenzuwachs vorweisen können, dem Aufkauf klassischer Maklervertriebe verdanken. Warum auch nicht? Das Geld aus den Fonds kann zwar nur an InsurTechs fließen, aber da muss es letztlich nicht bleiben. Man nutzt es einfach, um den klassischen Markt aufzukaufen.

Da spielt es dann auch keine Rolle, ob du für einen Maklervertrieb oder Pool mit 50 Mio. Euro Umsatz 100 Mio. Euro Kaufsumme ausgibst, denn der Preis ist immer eine Frage der Nachfrage und die wird in Kürze 2 Mrd. Euro groß sein. 250-350 Millionen zu investieren, um einen Superpool zu begründen, mag dann immer noch aberwitzig erscheinen, aber ist es das wirklich?

Für einen Euro Umsatz einen Euro Kaufpreis auszugeben, und dies bei Unternehmen mit 3-4 % Umsatzrendite, ist nach betriebswirtschaftlichen Maßstäben sicherlich bekloppt. Doch anders sieht die Sache aus, wenn man die Perspektive eines Versicherers einnimmt. Ein Gedankenspiel: Allein Fonds Finanz und blau direkt haben unter den Versicherungspools zusammen fast 50 % Marktanteil. Zusammen kontrollieren Sie geschätzte 3 Mrd. Euro Prämienvolumen für die Gesellschaften. In den Büchern der Gesellschaften hat die wirtschaftliche Kontrolle über einen solchen Prämienumsatz eine ganz andere Durchschlagskraft in der Wertschöpfung als beim margenarmen Zwischenhändler.

Ganz sicher stehen beide genannten Pools nicht zum Verkauf. Doch ab welcher Summe sich das ändert, vermag nicht einmal ich als Miteigentümer eines der Protagonisten sicher einzuschätzen. Abgesehen davon, habe ich das ja auch gar nicht allein in der Hand: Denn was ist, wenn ich mich für Unabhängigkeit entscheide, andere größere Pools aber nicht? Vor die Wahl gestellt, allein gegen einen Superpool anzutreten oder selbst Teil eines solchen zu sein, erscheint mir die Wahlfreiheit recht eingeschränkt.

So ist die Branche hinter den Kulissen längst in Aufruhr, der Basar längst eröffnet. Einige bieten, um den Superpool im eigenen Einflussbereich entstehen zu lassen, andere um ihn im Ansatz zu verhindern, und so langsam werden die Pools selbst sich ihrer Rolle bewusst und fragen sich, ob sie ihre schlafende Macht zum Spielball von Investmenthäusern, InsurTechs oder Versicherern machen lassen wollen, oder ob sie diese wohlmöglich lieber selber nutzen.

Julian Teicke wird vielleicht nicht derjenige sein, dessen Unternehmen die Pool-Landschaft neu ordnet, aber ihm allein gebührt das Verdienst, die Zusammenhänge als erster klar realisiert zu haben. Allein ob das ein Verdienst ist, wage ich zu bezweifeln, denn ich persönlich habe da eine andere Deutung: Teicke hat die Büchse der Pandora geöffnet und die – stelle ich mit Schrecken fest – wird niemand mehr schließen können.

Gastbeitrag von Oliver Pradetto, Geschäftsführer blau direkt GmbH & Co. KG