Der Gesundheitssektor 2024: Ein defensives Investment?

09.01.2024

Rudi van den Eynde, Head of Thematic Global Equity Management - Foto: © Candriam

Das Jahr 2023 war für Anleger des Gesundheitssektors eher enttäuschend. Doch der Gegenwind dürfte sich im neuen Jahr wieder legen – und es gibt sogar Faktoren, die die Branche zu einem vielversprechenden Investment machen.

Das Gesundheitswesen gilt in der Regel als defensiver Sektor, der stabiles, sequenzielles Wachstum liefert. Jedoch trugen im vergangenen Jahr viele ungünstige Faktoren dazu bei, dass die Performance unterdurchschnittlich ausfiel. Neben allgemeinen Problemen wie Inflation, Konjunkturabschwung und Krieg gab es noch weitere Umstände, die die Branche zusätzlich belasteten: Zum einen verlagerten Investoren ihre Aufmerksamkeit auf Künstliche Intelligenz und Technologie im Allgemeinen, zum Nachteil der Gesundheitsbranche. Zum anderen hat die allgemeine unterdurchschnittliche Performance der Small und Mid Caps den Biotechnologiesektor empfindlich getroffen, denn gerade kleine und mittelgroße Unternehmen liefern in diesem Sektor die nötige Innovationskraft. Und zu guter Letzt bauten die Kunden der Life-Science-Anbieter – dazu zählen etwa die Hersteller von Biopharmazeutika und die biomedizinische Forschung – Lagerbestände ab. Das hat einige Unternehmen erheblich belastet. Das Post-Pandemie-Umfeld hat zudem offenbar jene Unternehmen bestraft, die ihren Umsatz aufgrund von erfolgreichen Covid-Impfstoffen erheblich steigern konnten. Denn nun haben sie Schwierigkeiten, vergleichbare Ergebnisse zu erzielen.

Günstige Bewertungen und steigende Zulassungsquoten

Im neuen Jahr dürfte sich der Gegenwind in vielerlei Hinsicht legen. Jetzt, da der Faktor Covid-Impfstoffe an Relevanz verliert, lassen sich Unternehmen wieder einfacher vergleichen. Gleichzeitig signalisieren viele Life-Science-Unternehmen, dass sich der Abbau der Lagerbestände unter ihren Kunden eingependelt hat und wieder mehr Aufträge eingehen – es dürfte also auch hier wieder bergauf gehen. Ein weiterer Grund für Gesundheitsaktien: Die bisherige unterdurchschnittliche Performance hat zu Bewertungen geführt, die attraktive Kaufmöglichkeiten bieten, insbesondere vor dem aktuellen makroökonomischen Hintergrund. Das Kurs-Gewinn-Verhältnis des Teilsektors Pharmazeutika beispielsweise beträgt 15 und liegt damit unter dem langfristigen Durchschnitt – der Bereich ist also unterbewertet.

Das ist besonders bemerkenswert, denn immerhin sind die grundlegenden Unternehmenskennziffern nach wie vor intakt. Vor allem die Biotechnologie- und Gesundheitsbranche haben ein starkes Engagement für Innovationen gezeigt, wie die stetig wachsende Zahl der Medikamente in der Entwicklungspipeline belegt. Im Jahr 2023 wurden 21.292 neue Medikamente entwickelt, während es 2001 gerade mal 5.995 waren. Auch die Zulassungsrate der amerikanischen Food and Drug Administration (FDA) spiegelt diese Dynamik wider: Allein im Jahr 2023 wurden mindestens 60 neue Medikamente zugelassen – ein deutlicher Anstieg im Vergleich zu den 39 bis 53 Zulassungen der vorangegangenen vier Jahre.

Nachholaufträge in China und günstige Makro-Mischung

Ein weiterer positiver Faktor für die Performance von Healthcare-Aktien im Jahr 2024 sind zudem die Nachfrage aus China sowie das makroökonomische Umfeld. Denn in China griff die Regierung hart gegen die Korruption in Krankenhäusern und deren Ökosystemen durch. Dieses Vorgehen wirkte sich negativ auf einige Unternehmen aus, die chinesische Krankenhäuser belieferten, denn diese schränkten bzw. stellten sämtliche Bestellungen von Neugeräten und sogar von Verbrauchsmaterialien bis zum Abschluss der Untersuchungen ein. Auch dieser negative Effekt dürfte sich bis Anfang 2024 wieder in Rückenwind umkehren, da es zu Nachholaufträgen kommen wird.

Ein großer positiver Faktor (zumindest für den Gesundheitssektor) ergibt sich zudem aus unserem Konjunkturszenario: So zeigen sich in vielen Regionen wie China und einigen europäischen Ländern bereits Anzeichen einer Abschwächung der Wirtschaftstätigkeit. Gleichzeitig rechnen wir damit, dass sich die US-Wirtschaft im Jahr 2024 verlangsamt, da die hohen Zinssätze weiterhin eine Belastung darstellen. Die Inflation nimmt bereits ab, und wir erwarten, dass diese „Normalisierung" anhält – damit eröffnet sich auch die Aussicht darauf, dass die Federal Reserve im Jahr 2024 die Zinsen senken wird und diese auch langfristig sinken. Die Kombination aus geringerem Wachstum und niedrigeren Zinssätzen ist für den Gesundheitssektor eine sehr attraktive makroökonomische Mischung.
Denn: Der Gesundheitssektor ist im Vergleich zu anderen Branchen viel weniger von wirtschaftlichen Bedingungen abhängig – die Nachfrage nach Behandlungen besteht immer, unabhängig davon, ob es wirtschaftlich bergauf oder bergab geht. Zusätzlich werden niedrigere Zinsen das Investorenvertrauen in noch nicht profitable, aber innovative Biotechnologieunternehmen stärken.

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