Den Wandel nutzen

22.06.2021

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Die Corona-Krise sorgt für so manche Verwirbelung am Immobilienmarkt, was sich auch in der Portfolioallokation Offener Immobilienfonds niederschlägt. Eine vermeintlich aussterbende Assetklasse wird dabei aber weiterhin eine wichtige Rolle spielen.

Auch die Höhenjagd hat mal klein angefangen: Das im Jahr 1885 fertiggestellte Home Insurance Building in Chicago gilt aufgrund seiner damals einmaligen Höhe von 42 Metern als erstes, modernes Hochhaus. Zugleich war es der Startschuss für eine radikale Veränderung für das Aussehen vieler Großstädte rund um den Globus: In zehn der weltweit elf Gebäude mit einer Höhe von aktuell mehr als 500 Metern ist Büro eine der Nutzungsarten. Ein wesentlicher Grund für diese Entwicklung ist, dass sich inzwischen ein großer Teil der Arbeit im Büro abspielt, bzw. abspielte: Durch die Corona-Pandemie befinden sich viele Bürobeschäftige seit mittlerweile einem Jahr mehr oder weniger freiwillig im Homeoffice – weshalb immer wieder die Frage aufkommt, ob in Zukunft möglicherweise der Bedarf an Bürofläche deutlich zurückgehen wird. Diese Frage ist auch für Offene Immobilienfonds relevant, in deren Portfolio oftmals einen großen Teil ausmachen. „Sicherlich wird es eine Veränderung im Bürobereich geben. Das zukünftige Büro wird stärker ein sozialer Treffpunkt von Mitarbeitern sein“, prognostiziert Peter Windmeißer. Für den Head of Portfolio Management Real Estate der KGAL Investment Management GmbH & Co. KG wird das Büro deshalb eine wichtige Rolle auf dem Immobilienmarkt spielen: „Wir sind überzeugt, dass sich gut angebundene Bürostandorte mit hervorragender Infrastruktur auch zukünftig einer hohen Nachfrage erfreuen. Dies beweist auch unser bisheriges Büroinvestment, das während der gesamten Lockdown-Phasen keinen Mietausfall verzeichnen musste.“ Auch Mario Schüttauf hält die teilweise schon geäußerten Abgesänge auf das Büro für verfrüht: „Die Nachfrage von Unternehmen gerade nach den hochwertigen und modernen Büroflächen in Top-Lagen, auf die der HausInvest setzt, wird weiterhin und auch langfristig groß sein. Daran ändert auch das an Bedeutung gewonnene Homeoffice nichts, wie diverse Studien und Umfragen zeigen“, so der Fondsmanager des von Commerz Real aufgelegten HausInvest.

Hoffen auf die Erholung

Das aktuell dritthöchste Gebäude der Welt in natura zu sehen ist eine Frage des Glaubens – im wahrsten Sinne des Wortes: Das 601 Meter hohe Mecca Royal Clock Tower Hotel wurde errichtet, um Pilger zu beherbergen, die jedes Jahr zu Millionen in die Heilige Stadt des Islam kommen, Nichtmuslimen ist der Zutritt nach Mekka hingegen verboten. Auch in Europa sind normalerweise Millionen von Menschen unterwegs – sei es aus touristischen oder aus geschäftlichen Gründen. Jedoch zeigt Corona hier deutliche Auswirkungen, was Folgen für die Assetklasse der Hotelimmobilien hat. Claus P. Thomas glaubt aber nicht, dass diese von langer Dauer sein werden. So erwartet der CEO von BNP Paribas REIM Germany, dass sich trotz der pandemiebedingten Unterbrechung der Wachstumskurs in der Hotel- und Tourismusbranche in der Post-Corona-Zeit fortsetzen wird. „Die aktuelle Situation bietet dabei Chancen für antizyklische Investments, die wir für das Portfolio auch proaktiv genutzt haben“, so Thomas weiter. Ähnlich bewertet Mario Schüttauf die Situation dieser Assetklasse: „Für die Hotelbranche erwarten wir, dass sich der Markt – insbesondere im Longstay- und Mixed-Bereich – bis 2022/2023 vollständig erholen sollte und damit mittel- und langfristig attraktive Anlagechancen bietet. Entsprechend wird der HausInvest auch künftig in solchen Hotels investiert bleiben.“

Trends werden verstärkt

Vom rückständigen Bauernstaat zur wirtschaftlichen Großmacht: In den vergangenen 40 Jahren hat China eine beispiellose wirtschaftliche Entwicklung hingelegt. Dieses ist auch an zahlreichen Orten wortwörtlich sichtbar: Gleich sieben Gebäude, die mehr als einen halben Kilometer in den Himmel ragen, befinden sich in der Volksrepublik. Das höchste Gebäude Chinas und das zweithöchste der Welt ist der Shanghai Tower, in dem sich u. a. auch ein Einkaufszentrum befindet. In Deutschland ist für Einkaufszentren der Blick hingegen eher nach unten denn nach oben gerichtet. Anders hingegen ein anderer Teil des Einzelhandels: Peter Windmeißer sieht den Nahversorgungssektor als Stabilitätsanker und Gewinner de Corona-Krise an, was auch positive Folgen für den von KGAL aufgelegten OIF ImmoSubstanz hatte. So hätten sich laut dem Fondsmanager in dieser Assetklasse Investitionsentscheidungen als krisensicher erwiesen. Die Veränderungen im Einzelhandel werden auch für die künftige Portfolioallokation des HausInvest eine Rolle spielen: „Der Anteil von Non-Food-Retail (derzeit 18 %) wird zwar perspektivisch tendenziell sinken, dafür werden aber die Quoten für Nahversorgung und Waren des täglichen Bedarfs (derzeit 9 %) sowie für Gesundheits- und medizinische Nutzungen (derzeit 3 %) ausgebaut“, erläutert Mario Schüttauf, demzufolge aber weniger Corona, als vielmehr langfristige Trends im Konsumverhalten und der Lebensweise der Menschen Treiber der Entwicklungen sind. Auch Claus P. Thomas sieht die Pandemie weniger als Auslöser der Veränderungen, sondern eher als Trendbeschleuniger. So hat der stationäre Non Food-Einzelhandel schon seit vielen Jahren mit der Konkurrenz durch den Online-Handel zu kämpfen und verlor durch die coronabedingten Schließungen von Geschäften des nichttäglichen Bedarfs weiter an Boden. Zu den Profiteuren des sich weiter verstärkenden Online-Handels gehört die Assetklasse Logistikimmobilien, in der es laut Peter Windmeißer aufgrund der hohen Nachfrage bereits erste Preisübertreibungen gibt. „Aus diesem Grund werden die bisher erfolgreiche und krisenfeste Investitionsstrategie konsequent fortführen“, so der KGAL-Manager, demzufolge auch die Assetklasse Wohnen derzeit stark nachgefragt ist. Möglicherweise gibt die Corona-Pandemie ja auch den Startschuss für ähnlich revolutionäre Veränderungen wie der Bau eines Gebäudes Ende des 19. Jahrhunderts. (ahu)