Corona-Krise - Professionelle Anleger bleiben derzeit noch ruhig
02.03.2020
Carsten Roemheld, Kapitalmarktstratege bei Fidelity International / Foto: © Fidelity
Jetzt werden die Rufe nach weiteren Zentralbankmaßnahmen und fiskalpolitischen Schritten lauter. In China und anderen Ländern wurden bereits Zinssenkungen und weitere Stützungsmaßnahmen für die Liquidität der Finanzmärkte eingeleitet. In Hongkong wurde gerade das erste Helikoptergeld an die Bürger ausbezahlt. Weitere Aktivitäten werden folgen. Auch die FED und die EZB werden nicht umhinkommen, die Märkte weiter zu unterstützen. Aber genau hier stellen sich die entscheidenden Fragen für die kurz- und mittelfristige Zukunft der Finanzmärkte: Lassen sich die Zentralbanken und Regierungen darauf ein, die letzten Pfeile aus dem Köcher zu verwenden, um die vermeintlich vorübergehende wirtschaftliche Schwächephase zu überwinden? Reichen diese aus, um die aktuelle Situation zu überstehen? Oder überlässt man die Märkte sich selbst in der Hoffnung, die schlimmste Marktphase möge bereits hinter uns liegen? Die Antworten geben jedem einzelnen Investor Aufschluss darüber, wie er sich jetzt positionieren sollte. In ihnen wird aber auch der große Entscheidungsdruck deutlich, dem sich die verschiedenen Akteure auf dem Spielfeld momentan ausgesetzt sehen. Geht man jetzt aufs Ganze, bleiben möglicherweise keine Reserven mehr für die nächste Krise. Und Garantien, dass die Maßnahmen die entsprechende Wirkung zeigen, gibt es nicht. Genau dieser Konflikt wird das Marktgeschehen in den kommenden Wochen und Monaten bestimmen, da Bewertungsfragen in diesen Phasen so gut wie keine Rolle spielen.
Das sogenannte Sentiment, also die Marktstimmung, wird sich weiterhin zwischen Hoffen und Bangen bewegen, bis es zunehmend Gewissheit darüber gibt, welches Szenario sich durchsetzen wird. Es ist daher davon auszugehen, dass uns stärkere Schwankungen erst einmal erhalten bleiben.
Wer sich in diesen Tagen zurecht die Frage stellt, ob wir uns näher an einem Einstiegs- oder Ausstiegszeitpunkt befinden, der muss sich vor allem bewusst darüber sein, welchen Anlagehorizont er hat. Denn der große Verkaufsdruck der letzten Tage kam primär von technischen Verkaufsprogrammen. Professionellen Anleger haben sich überwiegend zurückgehalten und sich nicht in deutlichem Maße von Aktien, getrennt.
Für sich genommen ist das durchaus positiv, bedeutet andererseits aber auch einen weiteren Verkaufsdruck, wenn sich dieses Verhalten ändern sollte. Wir sind also sehr wahrscheinlich noch nicht im finalen Ausverkauf an den Märkten angelangt. Wer längerfristig denkt, sollte sich hingegen langsam wieder für die ersten Käufe bereithalten. Sobald negative Schlagzeilen nicht mehr zu weiterem Verkaufsdruck führen, kann der Markt in eine Bodenbildung einmünden und sukzessive wieder Potenzial für eine deutliche Erholung aufbauen. Insbesondere dann, wenn sich nicht alle negativen Erwartungen materialisieren, die momentan im Umlauf sind.“