Corona (2020) ist nicht 2008

19.03.2020

Carsten Roemheld, Kapitalmarktstratege bei Fidelity International / Foto: © Fidelity

Auch wenn sich die Zahl der Neuinfizierten in China seit Anfang März verlangsamt, ist noch unklar, wie schnell das Virus global eingedämmt werden kann. Dennoch lassen Vergleiche mit früheren ereignisbezogenen Krisen Rückschlüsse auf die Folgen für einzelne Branchen zu:

Wie zunächst in China und anschließend weltweit wurde die Reise- und Tourismusbranche schnell und heftig getroffen. Da der Sektor 10,4 Prozent zur globalen Wirtschaftsleistung beisteuert und auf ihn weltweit zehn Prozent aller Beschäftigten entfallen, wird der Dominoeffekt erheblich sein. Laut World Travel and Tourism Council benötigt die Branche im Durchschnitt 19,4 Monate, um sich von Epidemien zu erholen. Fluggesellschaften, Kreuzfahrtanbieter, Hotels, Restaurants und ihre Zulieferer werden in den kommenden Monaten unweigerlich in Mitleidenschaft gezogen. Die Lage in diesen Industriezweigen wird sich wohl erst Sommer 2021 wieder normalisieren.

Auch den stationären Einzelhandel trifft die Krise hart. Er wird gegenüber dem Internethandel weiter an Boden verlieren. Mit dem schwindenden Vertrauen der Konsumenten und der angespannten Lage an den Kreditmärkten ist zu befürchten, dass etliche Einzelhändler die Krise nicht überstehen werden.

Auch Bankaktien werden aktuell weit unter ihrem Buchwert gehandelt, so dass ihre Dividendenrenditen deutlich über US-Staatsrenditen liegen. Wie in der Finanzkrise haben Investoren Bankaktien reflexartig abgestoßen. Europäische und amerikanische Banken sind heute jedoch deutlich besser mit Kapital ausgestattet und widerstandsfähiger als 2008. Derzeit entfällt vor allem in den USA der Löwenanteil des Kreditrisikos nicht auf Banken, sondern auf Private-Equity- und Risikokapitalgesellschaften, Hedgefonds und Versicherer. Sie werden die größten Verluste erleiden. Banken dürften die Krise dagegen ähnlich gut überstehen wie das Platzen der Dotcom-Blase 2001/02.

Da die Konjunktur in China langsam wieder anspringt und die Lager vielfach leer sind, dürften sich Industrieunternehmen in den nächsten sechs Monaten schneller erholen als die Konsumgüterbranche. Zudem bieten mehr als 75 Prozent aller Industrietitel, und damit so viele wie noch nie, Dividendenrenditen, die über den Renditen von US-Staatsanleihen liegen. (ah)