Bitcoin – Erleichterungsrally im Sommer?
14.07.2022
Florian Grummes, Managing Director Midas Touch Consulting / Foto: © Midas Touch Consulting
Saisonalität Bitcoin
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Bitcoin Saisonalität vom 11. Juli 2022. Quelle: Seasonax[/caption]
Durch den schwachen Kursverlauf in den ersten sechs Monaten dieses Jahres hat sich das noch junge saisonale Muster für den Bitcoin deutlich abgeschwächt bzw. verflacht. Trotzdem müsste es laut Statistik ab Ende August zu einer Abwärtswelle kommen, die in 2022 möglicherweise parallel zu einem Abverkauf an den Aktienmärkten laufen könnte. Auch dort hat sich der September keinen guten Namen verdient, sondern gilt traditionell als der schlechteste Börsenmonat des Jahres. Bis Mitte August steht die saisonale Perspektive einer kleinen Erholungsrally im Krypto-Sektor aber nicht entgegen.
Insgesamt mahnt die saisonale Komponente weiterhin zu Geduld und Vorsicht. Erst ab Mitte/Ende Oktober sollte sich die Lage statistisch betrachtet aufhellen. Auf Sicht der kommenden Wochen wäre eine kleine Sommer-Rally möglich.
Bitcoin gegen Gold
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Bitcoin/Gold-Ratio, Wochenchart vom 12. Juli 2022. Quelle: Tradingview[/caption]
Analog zum Absturz des Bitcoins fiel in den letzten Monaten auch das Bitcoin/Gold-Ratio und notiert aktuell nur noch bei 11,47. Damit hat der Bitcoin gegen das Gold seit dem November 2021 zwischenzeitlich fast 75 % verloren! Bei Kursen von derzeit knapp 20.000 USD für einen Bitcoin und knapp 1.730 USD für eine Feinunze Gold muss man für einen Bitcoin fast 11,5 Unzen Gold bezahlen. Andersherum gesagt kostet eine Feinunze Gold aktuell ca. 0,087 Bitcoin.
Angesichts der stark überverkauften Lage auf dem Wochenchart nahe dem 78,6 %-Retracement stehen die Chancen für eine Gegenbewegung bzw. Erholung momentan nicht schlecht. Im besten Fall wäre ein Rücklauf an die gebrochene Unterstützung im Bereich um ca. 15 bis 16 denkbar. Bleiben die Bitcoin-Bären hingegen am Drücker könnte das Ratio in den kommenden Monaten auch direkt bis auf ca. 5 bis 6 durchgereicht werden.
Grundsätzlich sollte man sowohl in Edelmetallen als auch in Bitcoins investiert sein. D.h. mindestens 10 % und maximal 25 % seines Gesamtvermögens sollte man in physische Edelmetalle anlegen, während man in Kryptos und vor allem im Bitcoin zunächst wenigstens 1% bis maximal 5% halten sollte. Wer mit den Kryptowährungen und Bitcoin genügend Erfahrung gesammelt sowie das langfristige Potenzial erkannt hat und gleichzeitig die extrem hohe Volatilität verkraftet, kann individuell sicherlich auch wesentlich höhere Prozentzahlen in Bitcoin allokieren. Für den normalen Anleger, der natürlich vor allem in Aktien, Immobilien und idealerweise auch in Edelmetallen investiert ist, sind maximal 5 % im immer noch spekulativen und vor allem hochvolatilen Bitcoin ein erster sinnvoller Richtwert.
Zusammengefasst lässt das Bitcoin/Gold-Ratio eine Erholung zugunsten des Bitcoins in den kommenden Wochen erwarten. Zuviel sollte man sich angesichts der schwierigen Gesamtlage nicht erhoffen, aber ein Anstieg bis ca. 15 erscheint möglich. Während das Gold in 2020 und 2021 oft das Nachsehen hatte, konnte es in diesem Jahr seinen konservativen Charakter voll ausspielen und ist trotz leichter Kursrückgänge die ersehnte sichere Bank im Portfolio.
Makro-Update – Panik und Rezession 2022
Die Welt verändert sich schneller als je zuvor. Die politische Landschaft verschiebt sich weltweit rasch und wird von Tag zu Tag unberechenbarer. Während die Technologie alles verändert, was wir tun, nehmen die Spannungen in der Gesellschaft in fast allen Teilen der Welt zu. Doch eine Unze Gold bleibt eine Unze Gold. Ebenso bleibt ein Bitcoin auch ein Bitcoin.
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Global Credit Impulse vom 7. Juli 2022. ©The Macro Compass & Alfonso Peccatiello[/caption]
Mehr als 50 Jahre nach der Aufhebung des Goldstandards durch Nixon steht die Geldpolitik mit dem Rücken zur Wand, denn der Kampf der FED gegen die Inflation könnte die Welt schon bald in einen depressiven Abgrund stürzen. Nur wenige Tage nach Beginn ihres quantitativen Straffungsprogramms („Quantitative Tightening“) verhalten sich die Märkte bereits wie ein Junkie auf Entzug. Aufgrund der massiven fiskalischen Belastungen sowie der zögerlichen Refinanzierungsaktivitäten im Privatsektor erleben wir jetzt eine Schrumpfung der Kreditschöpfung, die sogar noch schneller ist als während der großen Finanzkrise.
Der Spagat der Fed, die Inflation zu bekämpfen, ohne dabei schwere Verwerfungen an den Märkten auszulösen, ist daher zum Scheitern verurteilt. Die Vehemenz des gerade begonnenen Straffungszyklus droht die "Everything Bubble" in einen "Everything Crash" zu verwandeln.
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S Yield Curve vs. Prior Tightening Cycles vom 12.Juli 2022. ©Crescat Capital & Tavi Costa[/caption]
Es ist daher realistisch, dass die Geldpolitik eher früher als später vom derzeitigen geldpolitischen Kurs abweicht und eine Kehrtwende vollziehen muss. Es ist jedoch nicht auszuschließen, dass die FED wieder einmal viel zu spät handeln wird. Aktuell dreht die Renditekurve in den USA bereits. In den vergangenen 30 Jahren war die FED bei dieser Konstellation jedes Mal gezwungen, ihren Straffungszyklus zu beenden. Da das systemische Risiko mittlerweile größer als je zuvor in der Geschichte ist, kann sich die FED eine Fehlentscheidung nicht mehr leisten.
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FED pivot indicator vom 11. Juli 2022. ©TheHappyHawaiian[/caption]
Tatsächlich deuten nun einige Indikationen daraufhin, dass die FED schon bald reagieren wird müssen. Mit der nächsten Zinserhöhung würde die FED das Finanzsystem vermutlich und wissentlich in die Luft jagen. Selbst die verbale Andeutung, dass die Zinserhöhungen ausgesetzt oder zumindest verlangsamt werden würden, dürfte daher momentan ausreichen, um an den Märkten eine sommerliche Erleichterungsrally auszulösen. Ebenso sind aufgrund der weltweiten Kontraktion etwas schwächere US-Inflationsdaten zu erwarten, die die Märkte ebenfalls mit großer Erleichterung aufnehmen dürften.
Außerdem hat der US-Dollar Index einen gewaltigen Ritt hinter sich gebracht und ist in den letzten 14 Monaten fast ununterbrochen um insgesamt +21,25 % gestiegen. Ein Luftholen beim US-Dollar dürfte ein Aufatmen an den Aktien-, Rohstoff-, Edelmetall- und Krypto-Märkten mit sich bringen. Insgesamt stehen die Chancen für eine Erholung in allen Märkten während den kommenden Sommerwochen also nicht schlecht. Ab Mitte August bzw. spätestens im September dürften sich die Bären dann aber vermutlich zurückmelden.
Fazit: Bitcoin – Erleichterungsrally im Sommer?
Nach einem monatelangen Ausverkauf inklusive einer üblen Pleite-Welle handelt der Bitcoin aktuell knapp unter 20.000 USD. Damit hatten vor acht Monaten die allerwenigsten gerechnet. Nun hingegen sind bullisch gestimmte Marktteilnehmer absolute Mangelware geworden und zahlreiche Experten unterbieten sich gegenseitig mit tieferen Kurszielen für den Bitcoin. Das Bitcoin-Netzwerk selbst hingegen wickelt völlig unbeeindruckt vom „Lehman-Moment“ im Krypto-Sektor weiterhin problemlos jegliche kryptographisch legitimierten Zahlungen über ein Rechnernetz gleichberechtigter Computer (peer-to-peer) ab.
Im Kontext der ebenfalls stark unter die Räder geratenen Aktienmärkte, welche in den letzten Monaten sehr deutlich mit dem Krypto-Sektor korrelierten, sind aufgrund der stark überverkauften Lage kurzfristig gute Erholungschancen auszumachen. Tatsächlich wäre eine sommerliche Erleichterungsrally in Richtung von ca. 25.000 USD und eventuell sogar knapp ca. 30.000 USD insbesondere dann denkbar, wenn die Inflation leicht zurückgeht und die FED etwas mildere Töne anschlägt. Trotzdem dürfte das Endes Krypto-Winters noch auf sich warten lassen. In jedem Fall bieten Kurse unterhalb von 20.000 USD langfristig betrachtet eine gute Einstiegschance.
Gastbeitrag von Florian Grummes, Edelmetall- und Krypto-Experte, Managing Director Midas Touch Consulting