Betriebsschließungsversicherung: Müssen die Versicherungen zahlen?
08.07.2020
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Auf einen Aspekt sei noch zusätzlich hingewiesen:
Diese bereits geschlossenen Vergleiche, fußend auf dem bayerischen „Kompromiss“ dürften in sehr vielen Fällen treuwidrig und damit unwirksam sein. Kunden können daher trotz des Vergleiches – zu dem sich viele geradezu genötigt gefühlt sahen - auch weiterhin die volle Versicherungsleistung verlangen.
Die meisten Vergleiche dürften gegen § 1 a Abs. 1 Ziff. 4 VVG verstoßen und damit treuwidrig sein. Diese neu in das Versicherungsvertragsgesetzes eingeführte Regelung verpflichtet die Versicherer gegenüber ihren Kunden stets ehrlich, redlich und professionell in deren bestmöglichen Interesse zu handeln. Der Versicherer muss seinen Kunden also wahrheitsgetreu informieren, darf ihn nicht täuschen und nicht allein zu seinem eigenen Vorteil beeinflussen. Das kann Grundlage dafür sein, erkennbar unwirksame Bedingungen nicht weiter zu verwenden oder sich auf sie nicht zu berufen oder beispielsweise den Kunden darauf hinzuweisen, dass noch weitergehende Ansprüche geltend gemacht werden können.
Bereits zu der Berufsunfähigkeitsversicherung hatte der Bundesgerichtshof gestützt auf § 242 BGB genau das entschieden. Danach sind Versicherer wegen der besonderen Ausgestaltung dieser Versicherung nach Treu und Glauben gehalten, ihre überlegene Sach- und Rechtskenntnis nicht zum Nachteil des Versicherungsnehmers auszunutzen. Sie müssen sich also ehrlich, redlich und professionell verhalten! Ähnlich, wie bei der Betriebsschließungsversicherung hat nämlich auch die Berufsunfähigkeitsversicherung für den Versicherungsnehmer häufig eine existenzielle Bedeutung. Deshalb setzt eine beiderseits interessengerechte Vereinbarung über die Leistungspflicht ein lauteres und vertrauensvolles Zusammenwirken der Vertragspartner voraus, dass auf Ergebnisse abzielt, die den Tatsachen und der Rechtslage entsprechen. Danach sind solche Vergleiche nur zulässig, wenn zum einen Unsicherheiten über die Leistungspflicht besteht und zum anderen, wenn der Versicherer seinen Kunden ausführlich auch über die mit dem Vergleich verbundenen Nachteile aufgeklärt hat.
Gerade mit dieser Aufklärungsverpflichtung will der Bundesgerichtshof sicherstellen, dass ein Kunde eigenverantwortlich darüber entscheiden kann, ob er sich auf diesen Vergleich einlassen will.
Konkret fordert der BGH hierzu Folgendes:
(…) „Derartige Vereinbarungen setzen eine noch unklare Sach- und Rechtslage sowie vor ihrem Abschluss klare, unmissverständliche und konkrete Hinweise des Versicherers dahingehend voraus, wie sich die vertragliche Rechtsposition des Versicherungsnehmers beurteilt und wie diese durch den Abschluss der Individualvereinbarung verändert oder eingeschränkt wird.“ (…)
Wir halten diese Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes auch mit Blick auf § 1 a Abs. 1 Ziff. 4 VVG klar auf die aktuellen Betriebsschließungsfälle übertragbar. Ähnlich, wie in den Fällen der Berufsunfähigkeitsversicherung, hat auch eine Betriebsschließung häufig existenzielle Bedeutung. Außerdem dürfte durch die Bezugnahme auf das Infektionsschutzgesetz und die unterschiedlichen Möglichkeiten entsprechender Schließungsverfügungen für einen in Versicherungsfragen unerfahrenen Versicherungsnehmer die Einschätzung des Versicherungsfalls ebenso schwierig machen, wie in der Berufsunfähigkeitsversicherung.
Damit waren die meisten Versicherer aber verpflichtet Ihre Kunden „klar, unmissverständlich und konkret“ darauf hinzuweisen, dass bestenfalls Zweifel über den Leistungsanspruch bestehen. Ebenso klar und deutlich hätten Sie zudem darauf hinweisen müssen, dass die Annahme des Vergleiches auch zu einer nachteiligen Vertragsanpassung dergestalt führt, dass SARS Cov-2 nicht mehr versichert ist. Denn genau solche Klauseln, die im Ergebnis zu einer Vertragsänderung führen, enthalten viele Vergleichsangebot.
Diesen Anforderungen entsprechen die meisten Vergleichsangebote nicht. Sie enthalten bestenfalls sehr allgemeine Ausführungen zu Rechtslage und weisen in keinem der uns bekannten Fälle darauf hin, dass mit dem Vergleich auch eine nachteilige Vertragsanpassung verbunden ist. Kunden die solche Vergleich abgeschlossen haben raten wir diese von einem spezialisierten Fachanwalt prüfen zu lassen und auch die weitere Versicherungsleistung zu fordern.
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