Berufsunfähigkeitsversicherung

09.02.2022

Björn Thorben M. Jöhnke, Fachanwalt für Versicherungsrecht und Gewerblichen Rechtsschutz, Jöhnke & Reichow Rechtsanwälte in Parnterschaft mbB / Foto: © Jöhnke und Reichow Rechtsanwälte

Keine Fortschreibung des erzielten Einkommens auf den Vergleichszeitpunkt bei Verweisung in der Berufsunfähigkeitsversicherung (OLG Oldenburg)

Kommt es bei dem im Rahmen der Verweisung in der Berufsunfähigkeitsversicherung gebotenen Einkommensvergleich auf die Lebensstellung an, die der Versicherungsnehmer bei Eintritt der Berufsunfähigkeit innehatte? Ist das vor Geltendmachung der Berufsunfähigkeit tatsächlich erzielte Einkommen auf den aktuellen Vergleichszeitpunkt fortzuschreiben? Mit diesen Fragen hatte sich das Oberlandesgericht Oldenburg zu befassen gehabt (OLG Oldenburg v. 11.05.2020 – 1 U 15/20).

Der Fall vor dem OLG Oldenburg

Der Kläger war ursprünglich als Heizungsmonteur tätig. Er unterhält bei der beklagten Versicherung eine Berufsunfähigkeits-Zusatzversicherung. Der Versicherer hatte zunächst seine Leistungspflicht wegen Berufsunfähigkeit des Klägers zunächst anerkannt. Doch dann verwies er den Versicherten auf seine nunmehr nach erfolgter Umschulung ausgeübte Tätigkeit als technischer Zeichner. Sodann erfolgte die Leistungseinstellung des Versicherers.

Vorliegend streiten die Parteien darüber, ob diese Verweisung wirksam ist. Das Landgericht hat die Klage des Versicherungsnehmers abgewiesen. Der Versicherer habe den Kläger zu Recht auf seine konkret ausgeübte Tätigkeit als technischer Zeichner verwiesen. Die Voraussetzungen für einen nachträglichen Entfall der Leistungspflicht seien gegeben. Eine Vergleichbarkeit der Lebensstellung scheitere hier nicht daran, dass dem Beruf des Heizungsmonteurs eine höhere Wertschätzung zukäme als dem technischen Zeichner. Ein sozialer Abstieg bestehe nicht. Auch die Einkommensverhältnisse seien gleichwertig. Eine Fortschreibung des ursprünglichen Gehalts habe nicht zu erfolgen.

Gegen dieses Urteil richtet sich die Berufung des Klägers. Er rügt, das Landgericht habe verkannt, dass nach der maßgeblichen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs Ausnahmen von dem Grundsatz, dass keine Lohnfortschreibung zu erfolgen habe, zu machen seien. Eine solche Ausnahme sei hier angesichts des Zeitraums zwischen dem Eintritt des Versicherungsfalls und der auf die Verweisung gestützten Leistungseinstellung von sechs Jahren zu machen. Außerdem habe sich das Gehaltsniveau auf dem Gebiet des Handwerks im Vergleich zu einer Lohnfortschreibung über den Verbraucherpreisindex positiver entwickelt.

Die rechtliche Wertung des OLG Oldenburg

Die Berufung bleibt erfolglos. Der Senat war der Auffassung, dass es unbeachtlich sei, ob der Kläger in seinem ursprünglich ausgeübten Beruf Ausbildungsaufgaben wahrgenommen und gegenüber anderen Mitarbeitern Weisungsbefugnisse gehabt habe. Diesem Umstand komme hier indes keine entscheidende Bedeutung zu, weil sich aus dem Vortrag des Klägers nicht ergebe, dass dieser Umstand seine Lebensstellung geprägt hätte. Deshalb lasse es sich auch nicht argumentieren, die nunmehr ausgeübte Tätigkeit des Klägers bleibe wegen der fehlenden Ausbildungs- und Leitungsfunktion im Sinne einer Unterforderung hinter seinem ursprünglichen Beruf zurück und entspreche deshalb nicht seiner Erfahrung, so das OLG Oldenburg.

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