Beratungspflicht gegenüber dem Erwerber einer versicherten Immobilie
14.11.2024
Rechtsanwalt Jens Reichow. Foto: Jöhnke & Reichow Rechtsanwälte
Versicherer wird zum Schadensersatz verurteilt
Auch das OLG Karlsruhe bejahte im Ergebnis eine Schadensersatzverpflichtung des Versicherers. Entgegen der Auffassung des LG Baden-Baden beruht der Schadensersatzanspruch allerdings nicht darauf, dass der Versicherer eine falsche Auskunft zur Übernahme der Gebäudeversicherung erteilt hat. Die Aussage, eine Umschreibung sei nur mit der Zustimmung der bisherigen Versicherungsnehmerin möglich, ist nach Ansicht des OLG Karlsruhe korrekt. Vielmehr hätte der Versicherer jedoch dem angehenden Erwerber einer versicherten Immobilie auf die Möglichkeit hinweisen müssen, selbst eine Gebäudeversicherung abzuschließen, so das OLG Karlsruhe.
Erwerber einer versicherten Immobilie hat Interesse an Aufrechterhaltung des Versicherungsschutzes
Dem Schadensersatzanspruch liegt vorliegend eine Verletzung der vorvertraglichen Beratungspflicht zugrunde. Es besteht zwar keine Pflicht des Versicherers, den Versicherungsnehmer von sich aus nach seinen Wünschen und Bedürfnissen zu befragen sowie Ratschläge zu erteilen. Vielmehr ergibt sich eine Beratungspflicht aus dem Umstand, dass für den Versicherer im konkreten Einzelfall Anlass dazu besteht. Ein solcher Anlass zeigte sich hier, indem sich der Wille des Ex-Ehemannes zum Ausdruck brachte, die bestehende Gebäudeversicherung vorzeitig zu übernehmen und ab sofort für die Beitragszahlung aufzukommen. Er machte im Zuge dessen gegenüber dem Versicherer Zweifel an der Zahlungsmoral seiner Noch-Ehegattin deutlich und betonte, den Versicherungsschutz aufrecht erhalten zu wollen.
Beratungspflicht des Versicherers bezüglich des Abschlusses einer eigenen Versicherung
Demnach hätte der Ex-Ehegatte zumindest darauf hingewiesen werden müssen, eine eigene Gebäudeversicherung abzuschließen. Da eine Zustimmung der bisherigen Versicherungsnehmerin zur Umschreibung des Vertrages nicht abzusehen war, lag nach Auffassung des OLG Karlsruhe auf der Hand, dass dem Absicherungswunsch des Ex-Ehemannes nur durch einen eventuell möglichen Vertragsbeitritt oder eine neu abgeschlossene Gebäudeversicherung Rechnung getragen werden konnte.
Die bloße Auskunft, dass die Umschreibung des Versicherungsvertrages nur mit Einverständnis der bisherigen Versicherungsnehmerin erfolgen könne, ist hier nicht ausreichend. Gerade weil die Vertragsübernahme von der Zustimmung der Ex-Ehefrau abhing, hätte der Versicherer den Abschluss einer eigenen Gebäudeversicherung empfehlen müssen. Daher ist der Versicherer vorliegend zum Ersatz des Leitungswasserschadens verpflichtet.
Fazit
Der Fall vor dem OLG Karlsruhe zeigt, dass der Versicherer, obwohl zum Zeitpunkt des Leitungswasserschadens kein Versicherungsschutz mehr bestand, zum Schadensersatz verpflichtet sein kann. Um dem Interesse der Versicherungsnehmer Rechnung zu tragen, kann auch eine Beratungspflicht gegenüber dem Erwerber einer versicherten Immobilie bestehen. Wie weit dies gehen kann, verdeutlicht der vorliegende Fall. So kann sich auch nach einer Leistungsablehnung herausstellen, dass der Versicherer zur Leistung verpflichtet ist.
Ein Gastbeitrag von Rechtsanwalt Jens Reichow, Partner der Hamburger Kanzlei Jöhnke & Reichow.