Beratungspflicht gegenüber dem Erwerber einer versicherten Immobilie
14.11.2024
Rechtsanwalt Jens Reichow. Foto: Jöhnke & Reichow Rechtsanwälte
Wendet sich der Erwerber einer versicherten Immobilie noch vor Eigentumserwerb mit dem Anliegen, die bestehende Gebäudeversicherung des Veräußerers zu übernehmen und für die Beitragszahlung aufzukommen an den Versicherer, so kann den Versicherer eine Beratungspflicht gegenüber dem Erwerber treffen. Bleibt die Beratung aus, kann eine Falschberatung vorliegen, die im Fall vor dem OLG Karlsruhe zur Haftung des Versicherers geführt hat (OLG Karlsruhe, Urteil vom 05.10.2023 – 12 U 66/23).
Im vorliegenden Fall des Oberlandesgericht Karlsruhe hatten Eheleute im Rahmen einer Scheidung vereinbart, dass das ursprünglich der Ehefrau gehörende Grundstück mit Einfamilienhaus im Wege der Vermögensaufteilung auf den Ehemann übertragen werden soll. Die Ehefrau unterhielt für das Haus eine Gebäudeversicherung beim Versicherer.
Der Ex-Ehemann der ursprünglichen Versicherungsnehmerin teilte dem Versicherer im Februar 2020 die beschlossene Eigentumsübertragung mit. Zusätzlich bat er den Versicherer aus Sorge, seine Ex-Ehefrau könnte die Prämien nicht mehr bezahlen, die Gebäudeversicherung umzuschreiben. Jedoch teilte der Versicherer ihm mit, dass eine Umschreibung zu diesem Zeitpunkt nicht möglich sei, da dies die Zustimmung der Versicherungsnehmerin erfordere. Infolgedessen versuchte er vergeblich diese einzuholen. Ab Juli 2020 blieben die Zahlungen der Versicherungsprämie aus. Auch das Mahnverfahren des Versicherers gegenüber der Versicherungsnehmerin blieb erfolglos.
Im September 2020 trat in dem Einfamilienhaus ein schwerwiegender Leistungswasserschaden ein. Die Schadenssumme betrug 118.000 Euro. Der Versicherer lehnte die Schadenregulierung allerdings ab und berief sich auf seine Leistungsfreiheit, da sich die Versicherungsnehmerin im Prämienverzug befand.
Hiergegen wendete sich der Ex-Ehemann zunächst vor dem Landgericht Baden-Baden (Az.: 1 O 164/21) und begehrte die Verurteilung des Versicherers zur Zahlung der 118.000 Euro. Er berief sich auf eine Falschberatung des Versicherers. Er argumentierte, der Versicherer habe seine Beratungspflicht ihm gegenüber als Erwerber einer versicherten Immobilie verletzt, da der Versicherer ihn nicht darauf hingewiesen habe, eine neue Versicherung abzuschließen oder sich als weiteren Versicherungsnehmer in den bestehenden Vertrag einbeziehen zu lassen. Der Versicherer hätte ihm zumindest ermöglichen müssen, für die Versicherungsprämie aufzukommen, um den bestehenden Versicherungsschutz aufrecht zu erhalten.
Das LG Baden-Baden hat der Klage stattgegeben und stützte dies auf eine vorvertragliche Falschauskunft des Versicherers. Dagegen ging der Versicherer in Berufung und begehrte vor dem OLG Karlsruhe, das erstinstanzliche Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen. Der Versicherer beruft sich darauf, dass dem Ex-Ehemann die Versicherungspolice vorgelegen habe, weshalb er um die Höhe der Prämie sowie die Kontoverbindung des Versicherers und die Versicherungsscheinnummer gewusst habe. Damit hätte er die Beitragszahlung erbringen können und im Eigeninteresse auch müssen, um den Fortbestand des Versicherungsschutzes zu sichern.