„Sanfte Landung“ ist durchaus möglich
12.11.2024
Oliver Blackbourn. Foto: Janus Henderson Investors.
Das Jahr neigt sich dem Ende zu. Die Musik spielte auch 2024 wieder in den USA. Mit dem Sieg von Donald Trump könnten sich einige Vorzeichen ändern. Ein Blick auf die Lage an den Aktien- und Anleihemärkten gab finanzwelt Portfolio Manager Oliver Blackbourn, Janus Henderson Investors.
Die derzeitige Wirtschaftslage in den USA bewegt sich am Rande des Rezessionsabgrunds. Eine „sanfte Landung“ scheint immer noch mehr als möglich, doch könnte ein ordentlicher Schubs genügen, um die Wirtschaft über die Klippe zu stoßen. Das langsamere Beschäftigungswachstum, die geringere Nachfrage nach Arbeitskräften und die zunehmenden Auswirkungen der höheren Zinsen erhöhen die Anfälligkeit gegenüber einem negativen Auslöser. So haben sich beispielsweise Bereiche wie das Baugewerbe noch nicht auf den Rückgang des Wohnungsbaus eingestellt, der mit erhöhten Hypothekenkosten einhergeht. Allerdings fällt es uns schwer, große finanzielle Schieflagen auszumachen, die oft die Ursache für den Stress sind, der eine Wirtschaft in die Kontraktion treibt. Dies bestärkt uns darin, dass eine „sanfte Landung“ durchaus möglich ist, sofern die Fed ihre Geldpolitik weiter lockert, um die Nachfrage in den Bereichen anzukurbeln, die aufgrund höherer Zinssätze zu kämpfen hatten, und Kreditnehmern den Zugang zu günstigeren Krediten zu ermöglichen.
Die Einpreisung der Fed-Zinssenkungen durch den Markt deutet auf eine allmähliche Lockerung der Geldpolitik hin, lässt aber im Vergleich zu früheren Reaktionen auf Rezessionen noch Spielraum für aggressivere Maßnahmen. Bei Rezessionen, die mit einstelligen Zinssätzen begannen, hat die Fed die Zinsen um mindestens 4,5 % gesenkt – außer während der Pandemie, als die Zinsen noch nicht hoch genug waren, um dies zu ermöglichen. Der Markt preist derzeit nur etwa 2 % der gesamten Senkungen gegenüber dem Höchststand ein. Dies entspricht eher den sanften Landungen, bei denen der Höchststand der Zinssätze unter 10 % lag, wie etwa 1966 und 1995.
Welche Aktienstile oder -sektoren die nächsten Bewegungen an den Märkten anführen werden, hängt von der wirtschaftlichen Entwicklung, der Reaktion der Fed und wahrscheinlich auch vom Ausgang der US-Wahlen ab. Zinssenkungen als Reaktion auf eine deutliche Verschlechterung am Arbeitsmarkt würden wahrscheinlich Rezessionsängste schüren, während Zinssenkungen, die das Wachstum zu stützen scheinen, wahrscheinlich als unterstützend für Risikoanlagen gelten werden. Technologieaktien zeigten sich in den letzten Stressphasen relativ defensiv und scheinen vom Rückenwind der KI-Revolution zu profitieren. Allerdings sind sowohl die Wachstumserwartungen als auch die Bewertungen überhöht, insbesondere angesichts des sich abschwächenden Wachstums. Damit befindet sich der Sektor in einer anfälligeren Ausgangslage, falls die Wirtschaft in eine Rezession gerät. Bei traditionelleren defensiven Sektoren wie Basiskonsumgütern, Gesundheitswesen und Versorgern sind die Gewinnerwartungen niedriger, auch wenn die Bewertungen verglichen mit früheren Werten nicht niedrig sind. Aktien mittlerer und kleiner Unternehmen dürften davon profitieren, sollten die Zinssenkungen mit einer sanften Landung einhergehen. Eine Entlastung von höheren Kreditkosten wäre ein großer Vorteil für diesen stärker fremdfinanzierten Teil des Marktes. (fw)