bAV mit Pflegezusatzversicherung – Sexy, aber brandgefährlich
18.07.2013
Sandra Spiecker
**Meinung der Expertin **Sandra Spiecker, Leiterin des bAV-Fachcenters HDI Leben, Köln
„Auf den ersten Blick wirken sie so attraktiv – Produkte für die betriebliche Altersversorgung (bAV), mit denen der Arbeitnehmer auch das Risiko einer späteren Pflegebedürftigkeit abdecken kann. Schließlich ist der Bedarf enorm: Nach Schätzungen des Statistischen Bundesamtes wird die Zahl der Pflegebedürftigen von 2,4 Millionen im Jahr 2010 auf 3,4 Millionen im Jahr 2030 steigen – und damit um rund 40 Prozent. Mit solchen Kombi-Lösungen hoffen Arbeitnehmer, sich vor einem existenziellen Risiko schützen zu können. Arbeitgeber sehen die Produkte als Chance, im Wettbewerb um Fach- und Führungskräfte mit einem außergewöhnlichen Leistungsmerkmal zu punkten. Und Vermittler betrachten das Thema Pflege als neuen und vielversprechenden Ansatz in der bAV-Beratung.
Wäre da nicht ein kleiner Schönheitsfehler: bAV-Produkte mit Pflegebausteinen sind aus meiner Sicht derzeit rechtlich unzulässig und bergen hohe Haftungsrisiken, sowohl für Arbeitgeber als auch für Vermittler.
Im Betriebsrentengesetz steht es schwarz auf weiß: Eine bAV kann die drei biometrischen Risiken abdecken, für die auch die gesetzliche Rentenversicherung Schutz bietet. Das sind Alter, Tod und Invalidität. Bei Pflegebedürftigkeit greift die gesetzliche Rentenversicherung hingegen nicht – dafür gibt es schließlich die gesetzliche Pflegeversicherung. Die Rechtslage ist also heikel. Trotzdem verschließen einige Versicherer die Augen und bieten Kombi-Produkte an, die bAV und Pflegevorsorge miteinander verbinden. Aus meiner Sicht ist das eine ebenso kurzsichtige wie gefährliche Strategie. Denn Arbeitgeber holen sich mit solchen Lösungen tickende Zeitbomben ins Haus, die vielleicht erst in einigen Jahren explodieren – nämlich bei der nächsten Betriebsprüfung. Stufen die Behörden eine solche Kombi-Lösung als rechtswidrig ein, kann die Steuer- und Sozialabgabenfreiheit auf den Teil der Beiträge entfallen, der in die Pflegevorsorge geflossen ist. Das Unternehmen muss in diesem Fall den kompletten Arbeitgeberanteil nachzahlen – und alle Arbeitnehmerbeiträge, die vor mehr als drei Monaten angefallen sind. Denn Sozialversicherungsbeiträge können Unternehmen bekanntlich maximal drei Monate lang von ihren Mitarbeitern nachfordern.
Und damit geht der Ärger erst richtig los. Können die Mitarbeiter nachweisen, dass sich ihr Chef in Kenntnis der unklaren Rechtslage für das Kombi-Produkt entschieden hat, können sie ihn auf Schadensersatz verklagen. Der Unternehmer hingegen wird sicher sehr genau hinterfragen, ob sein Vermittler ihn bei der Einrichtung des Versorgungswerks korrekt beraten hat …
Damit kein schiefes Bild entsteht: Pflegebedürftigkeit ist in unserer Gesellschaft ein relevantes und wachsendes Risiko, für das die Bürger Eigenverantwortung übernehmen müssen. Dazu sind Kombi-Produkte hervorragend geeignet – sofern der Hauptvertrag eine Basis-, Riester- oder private Rentenversicherung der dritten Schicht ist. Kombi-Lösungen mit bAV-Produkten sehen auf den ersten Blick zwar attraktiv aus, aber sie sind aus meiner Sicht – jedenfalls mit Blick auf die aktuelle Rechtslage – brandgefährlich. Sobald der Staat eine sichere gesetzliche Basis schafft, wird auch HDI seine bAV-Produkte um den Pflegebaustein „Extra" erweitern.
Bis dahin gilt für die Pflegevorsorge in der bAV: Finger weg!"
(Sandra Spiecker)