Ausfahrt von der Haftungs-Geisterbahn

24.11.2013

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Das Jahr 2013 hat es für Vermittler und Berater in sich. Nicht nur, dass die fortschreitende Regulierung das Geschäft erschwert, es kommen fast schon quartalsweise Skandale, Insolvenzen und Pleiten von Branchenriesen und großen Nischenplayern hinzu. Diese „Quartalskatastrophen" verunsichern den Vertrieb gewaltig: Stichwort Haftung.

Aber nicht alles ist so schlimm wie es scheint. Eine Handreichung, um von der Haftungs-Geisterbahn abbiegen zu können.

Nur der „Zeichnungsschaden" muss Sie interessieren. Der Finanzdienstleister haftet grundsätzlich nur für das, was man verkürzt als „Zeichnungsschaden" bezeichnen kann, also für eigene Pflichtverletzungen, auf denen die Zeichnung beruht. In Frage kommen so eine nicht zum Anlageziel passende Empfehlung, eine fehlende Aufklärung über bestimmte Risiken oder das Ausbleiben der Plausibilitätsprüfung und ähnliches mehr. Er haftet jedoch nicht für Dinge, die erst nach der Zeichnung geschehen sind, egal wie gravierend sie auch sein mögen: Seien dies veruntreute Gelder, gefälschte Bilanzen, andere kriminelle Handlungen oder aber die Unfähigkeit des Managements, welches die Vermögensanlage in Grund und Boden wirtschaftet bis hin zum Totalverlust. Dies ist für den Anleger sehr bedauerlich, führt aber im Allgemeinen zu keinem Haftungstatbestand für den Vermittler oder Berater. In solchen Fällen haben Sie normalerweise noch keinen Anlass zu ernsthafter Sorge. Es schadet aber nichts, schon einmal die Vermögensschadenshaftpflicht-Police (VSH) genau zu lesen und sie greifbar zu halten.

Das Beispiel:

Die aktuellen Probleme um die Wölbern-Fonds. Hat der Finanzdienstleister ordnungsgemäß beraten und ordentlich protokolliert, so ist ihm grundsätzlich nichts vorzuwerfen. Eine Haftung für – teilweise Jahre – nach der Zeichnung der Vermögensanlage entstandene Unregelmäßigkeiten kommt grundsätzlich nicht in Betracht.

Sind Sie überhaupt der Haftungsgegner?

Für bankgebundene oder angestellte Berater gilt: Grundsätzlich ist nicht der Berater, sondern die Bank das beratende Unternehmen und der Haftungsgegner des Anlegers. Nur Vorsicht: In besonders gelagerten Fällen soll es schon vorgekommen sein, dass die Bank den Berater in Regress genommen hat. In diesem Fall schützt den (eventuell ex-)bankgebundenen Berater keine VSH.

Andere gebundene Finanzdienstleister: Als „Tied Agent" eines Finanzdienstleistungsinstituts oder Haftungsdachs ist nicht der Vermittler oder Berater, sondern grundsätzlich das Institut bzw. das Haftungsdach der Vertragspartner des Auskunfts- oder Beratungsvertrages und daher auch der Haftungsgegner des Anlegers für Verstöße des Finanzdienstleisters als dessen Vertreter. Im Innenverhältniswird alles Nähere durch den Vertrag zwischen dem Haftungsdach und dem gebundenen Finanzdienstleister geregelt. Leider sind die Vertragswerke zu verschieden, als dass an dieser Stelle pauschale Aussagen zur prozessualen und finanziellen Abwicklung gemacht werden können; hier ist eine fallbezogene Beratung notwendig. Zu beachten ist aber: Das Institut oder Haftungsdach ist Vertragspartner der Versicherung, in deren Schutz die gebundenen Finanzdienstleister einbezogen sind.

Für unabhängige Finanzdienstleister gilt grundsätzlich: Sie sind direkt der Haftungsgegner der Kunden, da Sie die Beratung oder Vermittlung selbst erbringen. Für Ihren Schutz steht in der Regel nur die VSH-Versicherung im Rahmen der vertraglichen Regelungen ein.

Besondere Probleme bei einer Schieflage eines

Unternehmens mit Haftungsdach.

Kurz gesagt: Ja, man wird Sie trotzdem in Anspruch nehmen. Sollten Sie unter einem Haftungsdach, das aktuell zu einem Krisenunternehmen gehört, vermittelt haben, dann rechnen Sie damit, dass Sie neben dem Institut auch persönlich verklagt werden. Nicht, weil Sie gegen Pflichten verstoßen haben, sondern weil Sie zum Opfer eines Geschäftsmodells werden: Es gibt derzeit viele selbsternannte „Anlegerschutz-Anwälte", deren Geschäftsmodell das Schaufeln von Mandaten zwecks massenhafter Klageerhebung ist. Das Geld wird in diesem Geschäftsmodell bereits mit dem Klagen verdient, nicht erst mit durchgesetzten Ansprüchen für Anleger. Da es trotz Haftungsdach mindestens drei uns bekannte Gründe gibt, die Sie in die persönliche Haftung bringen könnten, können „Anlegerschützer" das Vorliegen dieser Haftungsgrundlagen einfach behaupten und auch gegen Sie vorgehen. Und weil sie es können, werden sie es auch tun. Stellen Sie sich heute schon darauf ein und suchen sich frühzeitig einen im Vertriebsschutz erfahrenen Anwalt.

Ein Beispiel: Die DNN-Online vom 18.11.2013 berichtet von einer Dresdner Anwältin: „Die Aufregung vieler Betroffener, die erst nach der öffentlichen Aufregung um INFINUS ihre Verträge genau angeschaut und das Risiko erkannt haben, bestärkt Cordula H.* in ihrer Strategie, auch die Vermittler wegen Falschberatung in Anspruch zu nehmen." * Name von der Redaktion geändert.

Ausstehende Provision und eine tückische Haftungsdach-Bindung.

Um Ihre ausstehenden Provisionen, die eventuell in einem aufgrund aktueller Probleme personell handlungsunfähigen Unternehmen festsitzen, werden Sie sich selbst kümmern müssen, wahrscheinlich mit anwaltlicher Hilfe. Gleiches gilt für Ihre Haftungsdach-Bindung: Da Sie nur einem einzigen Haftungsdach angehören können, werden Sie keinem anderen beitreten können, solange Sie als Tied Agent des in Schieflage befindlichen Haftungsdaches im entsprechenden BaFin-Register stehen.

Kennen Sie eigentlich die Versicherung Ihres Haftungsdaches?

Im Falle INFINUS stellen aktuell 70 von 70 gefragten Vermittlern fest: „Nein, die kennen wir nicht. Und wir wissen auch nichts Genaues über Umfang und Bedingungen." Verschaffen Sie sich also möglichst sofort Klarheit darüber, ob Sie überhaupt so gut geschützt sind, wie Sie glauben.

Haftungsfall und Vermögensschadens-Haftpflichtversicherung (VSH).

Was passiert, wenn ein Haftungsfall bei einem freien Finanzdienstleister oder individuell versicherten Tied Agent eintritt? Wem die Haftung droht, der sucht sich einen im Vertriebsschutz und Prozessrecht erfahrenen Anwalt und legt ihm sowohl den potenziellen Haftungsfall als auch sämtliche Unterlagen, einschließlich Zeichnungsschein, Widerrufsbelehrung, Prospektmaterial etc., sowie die VSH-Versicherungspolice vor. Verfügen Sie über eine Anbindung an ein Institut oder Haftungsdach, so müssen Sie den Vorfall dort melden. In jedem Fall – insbesondere bei INFINUS – sollten Sie überprüfen, ob auch Sie persönlich in Anspruch genommen werden. Auch Ihr Anwalt kann die Meldung an das Institut für Sie weiterleiten. Dabei sind die zeitlichen Fristen von teilweise nur einer Woche unbedingt zu beachten. Der Anwalt kontaktiert die VSH, nach Einverständnis der Versicherung fließen sämtliche Anwaltshonorare direkt an den Anwalt, der Vermittler muss in der Regel nicht in seine eigene Kasse greifen. Der Anwalt lenkt dann das Geschehen in Abstimmung mit dem Versicherer für den Finanzdienstleister.

(Rechtsanwalt Daniel Blazek und Christoph Sieciechowicz)