Auch Berater würden profitieren

17.08.2020

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Jedes Jahr verlassen hunderttausende junge Menschen Deutschlands die Schule und nehmen Wissen aus den unterschiedlichsten Bereichen mit. Nichts gelernt haben sie aber über das Thema Finanzen. Dabei würde das deutlichen Nutzen für das Leben bringen – und auch für die Berater.

„Ich bin fast 18 und hab keine Ahnung von Steuern, Miete oder Versicherungen. Aber ich kann ‚ne Gedichtanalyse schreiben. In vier Sprachen.“ Mit diesem Tweet erzeugte vor rund fünf Jahren eine 17-Jährige bundesweit Aufmerksamkeit – und sprach damit ein wesentliches Problem an: In deutschen Schulen findet sich das Thema Finanzen nicht auf dem Lehrplan. Angesichts der Tatsache, dass gerade essenzielle Themen wie Altersvorsorge oder Arbeitskraftabsicherung inzwischen vollständig oder zumindest teilweise privatisiert wurden, eine bedenkliche Entwicklung. Immer wieder belegen auch Umfragen, dass der Wunsch vielfach vorhanden ist, dass das Thema Finanzen auf den Stundenplan kommt. Nur in den Reihen der Politik finden diese Wünsche bislang kein Gehör. Auch scheint Finanzbildung etwas zu sein, von dem man zwar möchte, dass es in der Schule vermittelt wird, man selbst aber nur wenig damit zu tun haben will. So gaben im vergangenen Herbst in einer von Swiss Life in Auftrag gegebenen Umfrage unter Berufstätigen 40 % der Teilnehmer an, sich im Bereich Finanzen nicht weiterbilden zu wollen. „Die Deutschen beschäftigen sich leider zu wenig mit den eigenen Finanzen und viele Bundesbürger gestehen sogar ein, das auch nicht ändern zu wollen. Das zeigen auch Ergebnisse unserer regelmäßigen Studien“, so Dr. Matthias Wald, Leiter Vertrieb von Swiss Life Deutschland. Berater leben davon, dass sie selbst über mehr Wissen verfügen als ihre Klientel. Deshalb könnte man durchaus zu der Annahme kommen, dass ein besseres Finanzwissen in der Bevölkerung die Finanzberater überflüssig machen könnte. Das glaubt Dr. Wald nicht – im Gegenteil: „Wir sind überzeugt, dass sich eine stärkere Auseinandersetzung mit Finanzthemen und eine bessere Kenntnis darüber positiv auf die Nachfrage nach qualifizierter und persönlicher Finanzberatung und damit auch auf die Altersvorsorgesituation der Menschen und die Rentensituation auswirken würde.

Beratung würde sich verändern

Unabhängig vom eigenen Wissensstand bevorzugen Menschen schließlich ganzheitliche Vorsorgelösungen, die auf ihre individuelle Lebenssituation eingehen. Unser gesellschaftlicher Auftrag ist es, Menschen zu helfen, ein selbstbestimmtes Leben zu führen.“ Ein wesentliches Problem beim fehlenden Finanzwissen ist, dass die Beratung nicht auf Augenhöhe stattfindet. So hat der Berater im Normalfall einen deutlichen Wissensvorsprung gegenüber seinem Kunden, was dann zu Misstrauen von Seiten des Kunden führt – und damit auch zu Gefahren. „Das größte Risiko eines Beraters ist es, wenn die erteilten Anlagevorschläge nicht den gewünschten Erfolg erzielen und er dadurch das Mandat verliert oder sogar rechtlich belangt wird“, so Ronny Wagner, Vorstandsvorsitzender der Schule des Geldes e. V. Die Initiative, die bei Kindern und Jugendlichen bessere finanzielle Bildung ermöglichen möchte, setzt sich auf einen Ansatz, der bislang im Gegensatz zur Arbeit der meisten Berater steht. „Aus meiner Sicht ist die wichtigste Lektion im Leben die, zu lernen, was es zu vermeiden gilt. Wir wissen wesentlich besser, was falsch ist, als was richtig ist. Das ist es, was die Menschen in unserer Schule des Geldes zuerst lernen“, erläutert Wagner. In der Beratungspraxis würde derzeit aber ein völlig gegensätzlicher Ansatz verfolgt. „Das Geschäft der meisten Berater zeichnet sich dadurch aus, dass sie einem Kunden positive Ratschläge geben, einem also sagen, was man zu tun hat. Doch in Wirklichkeit ist es das Negative, das profitabel ist“, so Wagner weiter, der der Meinung ist, dass sich durch einen anderen Ansatz auch das Anforderungsprofil des Beraters verändern würden – zu dessen eigenen Nutzen. „Mit dieser veränderten Sichtweise setzt er sich nicht der Gefahr aus, auf das falsche Pferd zu setzen.“ (ahu)