Anbieter im juristischen Glück

22.02.2017

Gesetzbücher lesen ist gut, aber Laien lesen oft die Falschen. /Foto: © ArTo - Fotolia.com

Die deutschen Gerichte geben sich viel Mühe um Recht zu sprechen, das ist klar anzuerkennen. Was die Justiz aber künftig genau beachten sollte, ist der Einzelfall. In den zwei Fällen lag der BGH richtig.

Die Bausparbranche hat mit sehr viel Glück, in zwei besonders gelagerten Fällen juristisch einen Sieg für die Branche eingefahren. Die Bausparkasse Wüstenrot, eine Konzerntochter der Wüstenrot & Württembergische AG (W&W AG) darf sich der Dankesschreiben aus der ganzen Branche sicher sein, vor allem auch aus der Versicherungswirtschaft. Wüstenrot verdient vor allem Lob und Anerkennung, dass der Konzern genau die zwei Fälle ausgewählt hat, wo das höchste deutsche Gericht kaum anders entscheiden konnte.

Dass das Urteil aber ein Freibrief für die Kündigung von Verträgen wäre, wenn der Anbieter zur Leistung verpflichtet in anderen Fällen verpflichtet sein könnte, das ist dem Urteil des BGH nur bei sorgfältiger Prüfung der Urteilsbegründung zu entnehmen oder es lässt sich entnehmen dass die Entscheidung nur diesen zwei Einzelfällen gerecht wurde. Letzteres ist etwas völlig anderes, wie ein Grundsatz-Urteil. Das wäre dann eine höchstrichterliche Entscheidung im konkreten Einzelfall.

Konzerne vertrauen auf Juristen

Die Branchen-Regel wer die besten Juristen und Sachbearbeiter hat gewinnt gegen Laien hatte höchstrichterlich Erfolg. Das ist eine klare Warnung an alle Verbraucher, das wer selbst das Kosten- und Prozess-Risiko tragen kann, am Ende vielleicht doch als David dem Goliath unterliegen kann. Dazu am Ende dieser Meldung mehr. Um was ging es aktuell in Karlsruhe? Kurz gesagt, um zwei, aus Sicht der Anbieter, juristisch besonders günstig gelagerte Fälle. (finanzwelt 21.02.2017)

In den vom BGH zu bewertenden zwei Fällen ging es zu einem (Az: XI ZR 185/16) um einen Bausparvertrag mit einer Höhe von 40.000 DM (20.451,68 Euro), der 1978 geschlossen und 1993 zuteilungsreif geworden war. Für das Bausparguthaben war ein Guthabenzins in Höhe von drei Prozent vereinbart worden. Diesen Vertrag hat die Bausparkasse am 12. Januar 2015 gekündigt, das Bausparguthaben hatte zu diesem Zeitpunkt eine Höhe von 15.772 erreicht.

Im zweiten Fall (Az: XI ZR 272/16) ging es um zwei 1999 geschlossene Bausparverträge, einen in Höhe von 160.000 DM (81.806,78 Euro) sowie einen weiteren in Höhe von 40.000 DM (20.451,68 Euro). Beide Verträge waren im Juli 2001 zuteilungsreif geworden und waren schließlich am 12. Januar bei Bausparguthaben von 52.632,46 bzw. 13.028,89 Euro gekündigt worden.

Eine Entscheidung des OLG Stuttgart zugunsten der Bausparer hob der BGH nun auf und bestätigte damit die erstinstanzlichen Urteile, die zugunsten der Bausparkassen ausgefallen waren. Der BGH begründet dies damit, dass die Kündigungsvorschrift gemäß § 489 Abs. 1 Nr 3. BGB aF auch zugunsten einer Bausparkasse anwendbar sei.

„Dies folgt nicht nur aus dem Wortlaut und der Systematik des Gesetzes, sondern auch aus der Entstehungsgeschichte und dem Regelungszweck der Norm“, so die obersten Richter in Karlsruhe.

Verbraucherschutz ist erschüttert

Mit Entsetzen reagierten Verbraucherschützer auf das Urteil. „BGH erschüttert Vertrauen der Verbraucher in den Grundsatz, Verträge sind einzuhalten“, so Niels Nauhauser, Abteilungsleiter Altersvorsorge, Banken, Kredite bei der Verbraucherschutzzentrale Stuttgart via Twitter.

In anderen Fällen könnten Gerichte auch anders entscheiden. So wenn den bestehenden Kunden Verträge aktiv als Geldanlage verkauft wurden, die Kunden dies mit entsprechenden Unterlagen nachweisen können, oder in den vielen Fällen wo nachweislich zur Beendigung eines Vertrages mit festen hohen Zinsen zu einem Neuabschluss als Ersatz des bestehenden Vertrages, durch einen Vertrag mit flexibler Verzinsung geraten wurde, bei letzterem ist vor allem das Beratungsprotokoll und die Beraterhaftung entscheidend.

Die Definition von Bausparen als Zwecksparen ist schon richtig, aber was ist mit der Frage, dass ein Kunde möglichst viel Eigenkapital bilden will, um sein Wohndarlehen am Markt beim günstigsten Anbieter zu erlangen, wird da nicht auch der wohnwirtschaftliche Zweck durch den Bausparer angestrebt?

Gerichte unterschätzen Anbieter als Kläger

Die Gerichte unterschätzen viel zu oft die Kaltschnäuzigkeit der Anbieter, wenn es darum geht den Kunden zu übervorteilen. Beispiele in der Praxis finden sich beim Schadensteilungsabkommen der Kraftfahrtversicherer, dem Notlagentarif in der privaten Krankenversicherung und diversen Klauseln in der Schadensversicherung die auf nur eine fahrlässige Handlung überhaupt keine Leistungspflicht der Anbieter vorsehen.

Die Justiz ist in vielen Fällen meist überfordert, weil sie die Brutalität im Gewinnstreben der Anbieter völlig unterschätzt, und in Einzelfällen schnell der schlüssigen juristischen Argumentation Glauben schenkt, wie:

  • eine Teilschuld ergibt sich aus der Betriebsgefahr z.B. von Kraftfahrzeugen
  • wer einen Schaden hat, der hat ihn durch Fahrlässigkeit mit verursacht
  • die Verrechnung von Beitragsrückständen berechtigt zur Leistungsfreiheit
  • der Sparzweck entbindet von vertraglichen Vereinbarungen
  • von Experten entwickelte Klauseln gelten gegenüber Laien

Die meisten Richter sind da völlig überfordert, weil die Argumentation der Anbieter schlüssig klingt, wird selten hinterfragt, ob hier Vertragsrecht nicht einseitig zugunsten der Anbieter missbraucht wird. Notfalls bietet der Anbieter Mitarbeiter als Zeugen gegen die ehemaligen Kunden auf, die Aussagen treffen, welch zuvor eine ganze Abteilung von Juristen für das Verfahren optimiert hat.

Fazit: Der Satz „Steuern zahlen nur die Dummen“ ist zu ergänzen „Prämien ohne eine Chance auf Leistungen zahlen die Laien“. Bedauerlich ist nur wenn im Rechtsstaat, die Kläger gegen die Kunden über die größere Anzahl an gewieften Juristen und willigen Sachbearbeiter verfügen.

Ein Gericht und die Kammer die das Werk mit einem ungerechten Urteil absegnet, ist nicht zu kritisieren, sondern ganz klar zu bedauern, Richter verfügen nicht über tausende von willigen Sachbearbeitern und gutbezahlte Juristen die ihnen zuarbeiten und bei der Entscheidung fachlich helfen.

Ein Kunde, Versicherter oder Verbraucher erst Recht nicht. Folglich ist das mit dem Recht auf Recht und Gerechtigkeit oft eine Frage, die mehr vom Geld und juristischen Finessen bestimmt wird, als dass der Zufall einer sachgerechten Aufklärung eine Chance hätte. Im Zweifel für den Angeklagten? Wenn er das Kosten- und Prozess-Risiko tragen kann, der Anbieter hat dazu Zeit, Geld und genügend Experten. Aber wo bleibt der Laie, Versicherte oder Bausparer? Die Antwort lautet, da kommt es auf den Einzelfall an. Im Rechtsstaat gibt es Prozesskostenhilfe auf Antrag und es helfen auch die Verbraucherschützer. Zwangssparen soll seinen Zweck erfüllen. (db)