Alles paletti oder Milchmädchen-Hausse ?

31.08.2020

Rolf Ehlhardt, Vermögensverwalter, I.C.M. Independent Capital Management Vermögensberatung Mannheim GmbH / Foto: © I.C.M.

Wäre jemand an Silvester ins Koma gefallen, jetzt daraus erwacht und hätte die Börsenkurse gesehen, der würde nicht glauben, dass gerade der größte Wirtschaftseinbruch der Nachkriegsgeschichte hinter uns liegt. Die Börsen-Indizes lassen nichts Böses erahnen, auch wenn die Zahlen dadurch etwas verfälscht sind, dass wenige, hoch gewichtete Aktien aus bestimmten Branchen (zum Beispiel Technologie, Medizin) deutlich besser abgeschnitten haben, als der Durchschnitt der Einzelwerte. Viele Anleger verfolgen die Kurse ungläubig. Die Vermögensberater auch.

Die Begründungen sind überwiegend drei Argumente: Zum ersten haben die Notenbanken eine Unmenge an Liquidität geschaffen. Sie wird derzeit mit über fünf Billionen geschätzt. Tendenz: Weiter steigend. Liquidität ist nun mal ein Treibstoff für die Aktienkurse.

Zum zweiten werden die Zinsen auf lange Sicht nahe Null bleiben. Analysten haben errechnet, dass bei einer 0,6-prozentigen Rendite einer 10 jährigen US-Staatsanleihe das KGV bei 165 liegt. Das Aktien KGV liegt durchschnittlich bei etwa 20, so dass mittelfristig an der Aktienbörse ein höheres KGV akzeptiert werden wird, zumal die Notenbanken mit aller Macht steigende Zinsen verhindern werden.

Die dritte Begründung heißt: Das schlimmste liegt hinter uns, es geht wieder aufwärts. Politiker suggerieren, dass wir in spätestens zwei Jahren wieder die Umsätze von 2019 erreichen. Ich gebe hier eine mathematische Formel zu bedenken: Wenn etwas um 50 Prozent fällt, muss es um 100 Prozent teigen, um wieder das Ausgangsniveau zu erreichen.

Ich füge eine börsentechnische Aussage hinzu. Viele Produkte, Computerprogramme  und Strategien beruhen auf dem Trendfolge-Modell. Das bedeutet, solange die Kurse steigen, muss gekauft werden (die Hausse nährt die Hausse). Auch hier gebe ich kritisch zu bedenken: Wenn die Börsen die Richtung umkehren, müssen die gleichen Börsenteilnehmer verkaufen, eventuell auf Teufel komm raus.  Es bestimmen also weniger die Anleger die Kurse, sondern die Performance-Profis und Zocker, was nicht weniger gefährlich ist. Wenn ich mir die Kurse von Apple (ist mehr wert, als alle DAX-Werte zusammen, KGV 36), Tesla, Amazon (KGV 127), aber auch von den Bio-Techs und Forschungsgesellschaften wie Curevac (noch nie Gewinn gemacht, 100 Mitarbeiter, nur Hoffnung auf Corona-Impfstoff, wird mit 10 Milliarden bewertet und ist damit doppelt so teuer wie Lufthansa), dann werde ich doch etwas an das Jahr 2000 erinnert.

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