517 Enttäuschungen und eine Hoffnung
13.02.2019
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Der 7. Dezember 2018 – für viele Merz-Anhänger so gruselig wie ein verspätetes Halloween. Nach der Wahl von Annegret Kramp-Karrenbauer (AKK) als Vorsitzende der Christdemokraten stellt sich der Finanzbranche die bange Frage: was bedeutet ihr Sieg für die Rentenpolitik der CDU? Ist die Idee einer aktienorientierten Altersvorsorge „ausgemerzt“? Es gibt vielleicht noch einen Hoffnungsträger.
Das Spektakel hatte etwas von Papstwahl. Wie nach der Ernennung eines neuen Kirchenoberhaupts berichtete fast die ganze Welt über die neue CDU-Chefin. Auf dem Bundespartei-tag in Hamburg ging schließlich eine Ära von päpstlich historischen Ausmaßen zu Ende: 18 Jahre Angela Merkel. Zu Beginn ihrer Amtszeit bezahlten wir mit D-Mark, wir gingen zusammen mit Boris Becker über AOL ins Internet und Gerhard Schröder war unser Kanzler. Außer Angela Merkel verbindet eigentlich nur eine Sache ihr Antrittsjahr 2000 mit dem Jahr ihres Abtritts 2018: das Ausscheiden der deutschen Nationalmannschaft in der Vorrunde – damals noch EM. Die entscheidende Parallele zwischen Papst und AKK ist folgende: Die CDU-Vorsitzende muss Brücken bauen wie der Pontifex im Vatikan. Schließlich sind das Land und die Partei so polarisiert wie lange nicht mehr.
Also muss AKK sowohl die auseinanderdriftenden Parteiflügel der Union wieder zusammenführen als auch die gesellschaftlichen Schichten der Republik miteinander versöhnen. Hinzu kommt die Frage der Generationen-Gerechtigkeit. Was eignet sich dazu besser als eine gelungene Rentenpolitik? AKK will den Blick „auf kleine Renten richten und die alte Regel ‚Mehr Netto vom Brutto‘ anwenden“, wie sie der „Welt“ im Interview verriet. Gerade die Kosten für Pflege- und Krankenversicherung seien für Rentner mit geringen Bezügen eine gravierende Belastung. Als Unterstützung plant Kramp-Karrenbauer ein gestaffeltes Modell: Bei Renten bis 500 Euro monatlich soll die Rentenversicherung die Beiträge komplett übernehmen. Bei Renten bis 1.000 Euro soll sich die Beitragshöhe dem normalen Arbeitgeberanteil angleichen. Bezahlt werden soll diese Entlastung aus Steuergeldern.
Politikberatung by Jesus
Beweist dieses Konzept Brückenbauer- Qualität? Christian Nuschele, Head of Sales & Marketing bei Standard Life, bezweifelt es: „Die Last wird nicht von den künftigen Generationen genommen.“ Zudem fehle es ihm an Eigenverantwortung. Philip Wenzel, Prokurist bei „freche versicherungsmakler“, hält das Vorhaben, Geringverdiener in der Rente zu unterstützen, zwar prinzipiell für sinnvoll. Langfristig wünscht er sich aber eine nachhaltigere Politik. „Jesus, der ja kein Dummer war, wenn es um die Unterstützung Bedürftiger geht“, so erklärt Wenzel, „hat mal sinngemäß gesagt: es sei besser, jemanden das Fischen zu lehren, als ihm einen Fisch zu geben.“ Konkret präferiert Wenzel Investitionen in die Bildung, „damit die Menschen die Möglichkeit haben, besser zu verdienen und dann auch ganz automatisch im Alter besser dazustehen.“ Die größte Hürde für solch nachhaltige Konzepte ist für ihn ganz klar das Anreizsystem der Politiker: „In der Politik muss der Erfolg nach vier Jahren sichtbar sein, sonst werde ich nicht wiedergewählt.“
Welche Alternative es gibt und warum sich ein Blick nach Norden lohnen könnte, lesen Sie auf Seite 2