Zweifel am Erfolg
25.02.2015
Foto: © Sergey Nivens - Fotolia.com
Eine flächendeckende Honorarberatung ist in den letzten Jahren in den Niederlanden, Großbritannien, Schweden und Norwegen eingeführt worden, und die deutsche Politik ist gewillt, sie auch hierzulande weiter zu fördern. Der BVK ist davon überzeugt, dass ihn dieses Thema auch in den nächsten Jahren noch beschäftigen wird.
Beim Thema Honorarberatung setzt sich der Bundesverband Deutscher Versicherungskaufleute (BVK) für eine Koexistenz der verschiedenen Vergütungsmodelle ein und plädiert dafür, die Marktkräfte entscheiden zu lassen, welche Vergütungsform angenommen wird. Das Verhältnis Provisionsvermittlung und Honorarberatung hat vermittler-, verbraucher- und versicherungsspezifische Aspekte, die eigenen Dynamiken folgen, sich aber auch wechselseitig beeinflussen.Wenn man zunächst die Versicherungsvermittler betrachtet, hätte die Honorarberatung für sie den Vorteil, dass ihre Beratungsleistung unabhängig vom Vertragsabschluss durch die Kunden honoriert werden müsste. Das ist bei der Vermittlung auf Provisions- oder Courtagebasis nicht der Fall. Hier fließt die Provision vom Produktgeber nur, wenn ein Vertragsabschluss stattfindet. Zwar können bereits heute Versicherungsmakler im gewerblichen Bereich gegen Honorar ihre Kunden beraten. Doch im privaten Bereich fristet die Honorarberatung ein Nischendasein: Das Vermittlerregister weist mit Stand vom Januar dieses Jahres gerade einmal 292 Versicherungsberater aus gegenüber rund 240.000 Versicherungsvermittlern. Und ihre Zahl steigt sehr langsam: Zu Beginn 2011 waren es 205.
Der BVK würde es begrüßen, wenn diese Vergütungsform
auch den Versicherungsvermittlern offen stünde bzw. wenn unser
Berufsstand in seiner Vergütungsart flexibel wäre.
Das haben wir auch auf unserer letzten Jahreshauptversammlung 2014 in Berlin gefordert. Doch Voraussetzung dafür wäre, dass die Unternehmen auf breiter Basis auch nettotarifierte Produkte anbieten. Das jedoch ist bei Weitem nicht der Fall. Mit Sorge sehen wir, dass sich die Zahl der Versicherungsmakler in Großbritannien halbierte, als dort die Vermittlung auf Provisions- oder Courtagebasis abgeschafft wurde. Das hat zu vielen Arbeitsplatzverlusten und zur Vernichtung von Existenzen geführt. Und auch die Versorgung der Bevölkerung mit wichtigen Versicherungen hat abgenommen, weil sich insbesondere Kunden mit geringem Haushaltsbudget die Honorare nicht leisten können. Das ist nicht wirklich verbraucherfreundlich. Als Vorbild taugt diese Entwicklung nicht.
Wir sind der Überzeugung, dass sich die Honorarberatung im Versicherungsbereich in Deutschland in absehbarer Zeit nicht etablieren wird. Denn die Mitgliedstaaten der Europäischen Union sind trotz zahlreicher Vereinheitlichungen und Integration auf gesetzgeberischer und politischer Ebene noch immer durch ihre eigenen Marktbesonderheiten geprägt. Dazu gehört in Deutschland seit über 150 Jahren die Versicherungsvermittlung auf Provisionsbasis, die von den Kunden bisher akzeptiert und nicht in Frage gestellt wird. Sie ist zudem ein bewährtes Geschäftsmodell, mit dem unser Berufsstand erfolgreich ist. Die Honorarberatung stellt hingegen ganz neue Herausforderungen dar, insbesondere für die Mehrzahl der Exklusivvermittler, die dann keinen Kundenbestand mehr vom Versicherer übertragen bekämen und existenziell bedroht wären. Damit könnte sich die britische Entwicklung in Deutschland wiederholen.
Betrachtet man die Chancen der Honorarberatung aus der Sicht
derKunden, so muss man konstatieren, dass diese auch für
sie ihreSchattenseiten hat.
Bisher ist die Beratungsleistung von Versicherungsvermittlern für Kunden unentgeltlich, sofern es zu keinem Vertragsabschluss kommt. Das wissen vor allem Verbraucher mit einem kleinen Haushaltsbudget zu schätzen, insbesondere bei Versicherungen, deren Jahresprämien geringer sind als das zu zahlende Honorar von 100 bis 250 Euro pro Stunde, wie bspw. bei den Haftpflicht- und Unfallversicherungen. Das Problem der geringen Marktdurchdringung mit Nettotarifen greift zudem auch hier, denn sie sind die Voraussetzung für die Honorarberatung. Deshalb haben Kunden zurzeit nur eine geringe Produktauswahl. Allerdings können seit dem 01.08.2014 Honorar - Finanzanlagenberater auch verprovisionierte Produkte vermitteln, müssen dann aber die erhaltenen Provisionen vollständig an ihre Kunden weiterreichen.
Die Mehrzahl der Bundesbürger ist auch nicht bereit,
für qualifizierte Beratung im Versicherungsbereich ein Honorar zu zahlen.
Dies ist eines der zentralen Ergebnisse der 2014-er Studie des PFI Private Finance Institute der EBS Business School zur „Bedeutung von Vergütungsstrukturen im Nachfrageverhalten nach Finanzdienstleistungen". So hatten von den mehr als 1.000 befragten Verbrauchern über die Hälfte bisher keinen Kontakt zu diesem Thema. Von den 46 % der Befragten, die schon mal von Honorarberatung gehört hatten, konnten nur 28 % das Konzept der Honorarberatung richtig beschreiben. Und lediglich 2,5 % der Befragten nutzen bisher ein Honorarberatungsangebot, was wiederum im Einklang mit anderen Markterhebungen und -einschätzungen steht. Die Einführung eines einseitigen, ausschließlich honorarbasierten Systems würde daher die Verbraucher massiv verunsichern, die in der Regel nicht dazu neigen, Daseinsabsicherungs- und Altersvorsorgeprodukte aktiv nachzufragen, wobei gerade bei Empfängern niedriger und mittlerer Einkommen diese Themen verdrängt werden. Dies kann angesichts der drohenden Altersarmut vom Gesetzgeber nicht gewollt sein und widerspricht einem sinnvollen Verbraucherschutz.
Ein weiterer Aspekt ist für die Verbraucher ebenfalls wichtig.
Honorarberatung schützt nicht mehr oder weniger vor Schlecht- und Falschberatung als die Provisionsvermittlung, die gegenüber der Honorarberatung einen gewichtigen Vorteil hat: Mit der Provision oder Courtage des Vermittlers sind nicht nur der Abschluss, sondern auch die weitere Beratung sowie Schadenbearbeitung und Betreuung während der gesamten Laufzeit des Vertrags abgegolten, die bei einer Honorarberatung zusätzliche Kosten für den Kunden auslösen würde. Die deutschen Versicherungsvermittler erfüllen mit ihren millionenfach vermittelten Verträgen und ihrem proaktiven Tätigwerden einen sozialpolitischen Auftrag im Rahmen der Daseinsfürsorge. Sie stellen damit eine tragende Säule des Sozialstaates dar. Honorarberatung allein könnte die Statik des Sozialstaats nicht gewährleisten.
Michael H. Heinz
Präsident Bundesverband Deutscher Versicherungskaufleute (BVK)