Zu Unrecht verschmäht?
26.05.2013
Dank der lockeren Geldpolitik von EZB, Bank of Japan, FED & Co. hat der Deutsche Aktienindex in den vergangenen Wochen rund 1.000 Punkte zugelegt und erklimmt ein Rekordhoch nach dem anderen. Sind Aktien noch ein Kauf?
Auf der anderen Seite mögen Deutsche keine Aktien. Wir setzen traditionell lieber aufs Eigenheim, auf Lebensversicherungen oder das gute alte Sparbuch. Doch mit dieser Haltung kommt man derzeit wohl nicht weit. Wir fragten unabhängige Vermögensverwalter nach ihrer Portfolioallokation.
Viele Experten sprechen wegen anhaltend niedriger Zinsen von einem Anlagenotstand. Mittlerweile lautet die Antwort der meisten Spezialisten, dass man auf Aktien setzen sollte. Bereits im vergangenen Jahr stiegen die Kurse, und der Aktienoptimismus setzt sich fort. Allerdings klafft weiterhin eine Lücke zwischen der guten Stimmung und dem Handeln der Investoren. Das belegt auch eine aktuelle Studie der Union Investment, wonach nur wenige tatsächlich in Aktien oder Aktienfonds investieren wollen. Nur 46 % der Befragten gaben an, Aktien oder Aktienfonds zu besitzen. Stattdessen dominieren niedrig verzinste Anlagen wie Sparkonten, Sparbücher und Sparpläne. In jedem Fall scheint es momentan schwierig, Faktoren ausfindig zu machen, die in den nächsten Wochen eine Marktumkehr auslösen könnten.
**_finanzwelt bat renommierte Vermögensverwalter
um ihre Einschätzung zum deutschen Aktienmarkt und
den Stellenwert von Schwellenländern in ihrer Portfolioallokation.
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Jörg Horneber, KSW Vermögensverwaltung AG
Arnim E. Kogge, Vertiva Family Office
Andreas Limoser, VZ VermögensZentrum GmbH
Gerhard Schaller, Sensus Vermögen GmbH
Dr. Holger Schmitz, SCHMITZ & PARTNER AG
finanzwelt: Welchen Anlageklassen räumen Sie in diesem Jahr das größte Potenzial ein?
Horneber: Aktien (Deutschland und weltweit) sowie Investition in Sachwerte, somit Erzielung eines langfristigen Inflationsausgleichs und bei Dividendentiteln regelmäßige Vereinnahmung von Ausschüttungen in der Regel über dem augenblicklichen Zinsniveau. Solange die weltweite Konjunktur langsam wächst und die Zinsen niedrig bleiben, sollte mit einem positiven Kursverlauf in den genannten Aktien gerechnet werden. Rohstoffe (Gold, Silber) gehören als Beimischung ins Depot.
Kogge: Für deutsche Aktien spricht das immer noch nicht hohe Kurs-Gewinn-Verhältnis (KGV). Darüber hinaus sind hiesige als auch globale Titel deswegen zu präferieren, weil die Dividenden höher als bei Renten sind. Die einzige Alternative zu Aktien sehe ich in Unternehmensanleihen.
Limoser: Auch wir sehen bei Aktien (Deutschland und weltweit) das größte Potenzial – dies nicht zuletzt wegen der attraktiven Bewertungen und der Trendfolge.
Schaller: Im derzeitigen wirtschaftlichen Umfeld sind grundsätzlich Investitionen in Produktiv-Vermögen sinnvoll. Das bedeutet für den Investor: In Aktien investieren. Und zwar in deutsche sowie in internationale Aktien. Weiterhin versprechen Investments in nationale Immobilien angemessene Renditen. Zudem ist die Anlageklasse „Alternative Investments“ ebenfalls interessant, hier insbesondere die Bereiche erneuerbare Energien und Wald.
Dr. Schmitz: Mit Aktien und Rohstoffen wie Gold und Silber können sich Anleger unserer Meinung nach langfristig am besten vor Kaufkraftverlusten schützen. Durch die schleichende Enteignung wird Inhabern von Staatsanleihen zunehmend Geld entzogen. Auch Immobilienbesitzer sind nicht wirklich sicher.
finanzwelt: Die Rallye bei vielen Aktienindizes hält an. Sind DAX und MDAX noch fair bewertet?
Horneber: Das aktuelle KGV des DAX beläuft sich auf ca. 11,7 (auf Basis der Gewinnschätzungen für 2013). Im Vergleich mit historischen Daten bedeutet dies, dass wir uns im unteren Drittel der KGV-Bewertungen der letzten 25 Jahre bewegen. Der MDAX hat aktuell ein KGV von ca. 15,6 und damit über dem des DAX. Aufgrund der erhöhten Wachstumspotenziale der MDAX-Unternehmen ist dies auch gerechtfertigt. Für beide Segmente gilt, dass jederzeit mit Verschnaufpausen gerechnet werden muss.
Kogge: Die Luft wird zweifelsohne dünner. Sollte die Konjunktur aber nicht einbrechen, sind wir der Ansicht, dass beide Segmente fair bewertet sind.
Limoser: Auch wir teilen die Meinung, dass deutsche Aktien fair bewertet sind.
Schaller: DAX/MDAX sind noch fair bewertet. Wir beobachten allerdings die aktuelle Hausse sehr aufmerksam. Sie ist sehr liquiditätsgetrieben durch die starke Geldmengenausweitung der Notenbanken in den USA und Japan. Die Erfahrung zeigt, dass solche Entwicklungen nicht unbegrenzt sind. Daher erwarten wir größere Korrekturen in der zweiten Jahreshälfte 2013.
finanzwelt: Die globalisierte Welt bringt es mit sich, dass wir auch jenseits von Länder und Regionen nach Anlageoptionen schauen sollten. Über die Emerging Markets wird viel diskutiert und geschrieben. Spüren Sie auch einen Trend hin zu entsprechenden Investmentlösungen?
Horneber: Eine Diversifikation in Aktien in Emerging Markets ist die letzten Jahre erkennbar. Die Ausweitung der Positionen, gerade im Anleihesegment, hat sich in den letzten Monaten bestätigt.
Kogge: Entgegen der weit verbreiteten Diskussion um den Einfluss der Emerging Markets auf die Weltwirtschaft können wir aktuell nur einen geringen Trend zu diesen Investmentlösungen feststellen.
Limoser: Ja, Schwellenländer stehen für uns seit Jahren bereits im Fokus für Investments in Staats- und Unternehmensanleihen sowie Aktien.
Schaller: Nein. Es ist kein besonderer Trend in Richtung Emerging Markets erkennbar. Im Gegenteil: Das Investoreninteresse in diese Richtung ist eher rückläufig.
Dr. Schmitz: Wir denken, mit Blick auf die Emerging Markets ist der Begriff „Trend“ schon seit langem nicht mehr zutreffend. Im Zeitalter globaler Waren- und Geldströme müssen Anleger den Blick in alle Regionen dieser Erde richten – die weltweit agierenden Unternehmen tun dies schon lange. Die Emerging Markets sollten daher ein fester Bestandteil in einem ausgewogenen Anlegerportfolio sein. Das gilt sowohl für Papiere von Unternehmen, die in dieser Region ihren Standort haben, als auch für Unternehmen aus den Industrieländern, die in diesen Regionen neue Absatzmärkte erschließen.
Fazit
Billiges Geld treibt immer mehr Investoren in die Aktienmärkte. Seit seinem Tief in der Finanzkrise von 2009 hat der DAX über 120 % zugelegt und es ist durchaus möglich, dass wir dieses Jahr noch die 9.000er-Marke sehen werden. Um Renditeversprechungen zu erfüllen, kommen institutionelle Investoren nicht um Aktien herum. Berater können gezielt auf die Vorteile dieser Assetklasse gegenüber anderen Investments (bspw. niedriges Zinsniveau bei Staatsanleihen) hinweisen. Natürlich geht jede Rallye auch mal zu Ende – spätestens wenn das Gelddrucken der Notenbanken ein Ende findet. Daher dürfen die Risiken eines Aktieninvestments nicht außer Acht gelassen werden. Die Bedeutung der Emerging Markets ist mittlerweile erkannt worden, jedoch fehlt noch teilweise der Mut, dies entsprechend in die Anlageentscheidung umzusetzen.
(Alexander Heftrich)