„Zinseszinseffekt ist wirklich das sogenannte 8. Weltwunder“
27.05.2020
Francois de Bruin, Fondsmanager des Aviva Investors Sustainable Income and Growth Fund / Foto: © Aviva Investors
Einkommensorientiertes Investieren klingt gut. Und es kam zumindest in der Vergangenheit bei den Investoren hervorragend an. Ist dem auch in der Zukunft so? Hierzu gab Francois de Bruin, Fondsmanager des Aviva Investors Sustainable Income and Growth Fund, im finanzwelt-Interview detaillierte Auskünfte.
finanzwelt: Herr de Bruin, können Sie uns die Vor- und Nachteile von Income-Strategien darlegen?
Francois de Bruin: Der größte Vorteil von Income-Investing, also einkommensorientiertem Investieren, ist auf lange Sicht das Compounding, also die jeweilige Aufzinsung. Der S&P 500 hat in den letzten 40 Jahren bis zum 30. April 2020 eine beeindruckende jährliche Rendite von 11,6 % erzielt. Während der Kapitalwert bei reinvestierten Dividenden innerhalb von vier Jahrzehnten um 2780 % stieg, hat sich die Gesamtrendite fast verdreifacht auf 8180 %. Und das obwohl die durchschnittliche Dividendenrendite in diesem Zeitraum nur 2,6 Prozent betrug. Der Zinseszinseffekt ist wirklich das sogenannte 8. Weltwunder, um es mit den Worten von Albert Einstein zu sagen.
Aber einkommensorientiertes Investieren hat auch kurzfristige Vorteile, insbesondere für diejenigen, die im Ruhestand ihr Einkommen beziehen: Es schützt sie etwa vor dem Sequence-of-Returns-Risiko im Rahmen ihrer Entnahmestrategie. Anleger, die gezwungen sind Aktien zu verkaufen, um kurzfristige Bedürfnisse zu finanzieren, laufen Gefahr nicht genügend Aktien oder Anteile zu haben, um sich bei einer Erholung der Märkte ebenfalls zu erholen. William Sharpe, der Vater der modernen Portfoliotheorie und berühmt für die Sharpe-Ratio-Kennzahl, bezeichnete dieses Problem, auch als "Drawdown-Problem" bekannt, als "das bösartigste und schwierigste Problem im Finanzwesen". Income-Investoren haben den Vorteil, dass sie ihre Aktien und ihr Kapital soweit unberührt lassen können, damit sie sich im Laufe der Zeit erholen, während sie nur die natürlichen Renditen erhalten. Auf diese Weise müssen sie sich keine Sorgen um die Volatilität machen, da der kurzfristige Bedarf durch die Renditen gedeckt wird und das Wachstum langfristig die Kapitalwerte antreibt.
In einigen Märkten hat einkommensorientiertes Investieren Nachteile für Unternehmen, die durch verschiedene Steuersysteme weder Dividenden noch Zinsen zahlen. Die Unterschiede zwischen Dividenden- und Zinserträgen, Unternehmensgewinnen und der steuerlichen Behandlung von Aktienrückkäufen bedeuten, dass das Nettoergebnis unterschiedlich ausfallen kann - je nach individueller Situation und den jeweils geltenden Steuerabkommen. Das bedeutet auch, dass einige sehr gut aufgestellte Unternehmen wie Alphabet oder Amazon sich dafür entscheiden, keine Dividenden zu zahlen. Dies unterstützt möglicherweise nicht das Gesamtziel des einkommensorientierten Anlegers, der jedes Jahr ein bestimmtes Einkommensniveau anstrebt.
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