Zinsen erhöhen, ohne die Wirtschaft in eine Rezession zu führen
25.07.2022
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Die EZB hat getagt. Die Zinsen werden angehoben. Roxane Spitznagel, Ökonomin bei Vanguard, kommentiert hierzu.
Es gab gute Argumente für einen Anstieg des EZB-Leitzinses von minus 0,5 Prozent auf 0,0 Prozent; wie auch für weitere Zinsschritte, da die Europäische Zentralbank (EZB) aufholen muss, um die Inflation zu dämpfen: Erstens, in Bezug auf die Inflation hat sich die Lage weiter verschlechtert. Die aktuelle geopolitische Situation sorgt für Aufwärtsrisiken bei den Gaspreisen und demzufolge der Inflation. Die langfristigen Inflationserwartungen sind im dritten Quartal weiter gestiegen. Zweitens, der EZB-Leitzins liegt deutlich unter einem Niveau, das als neutral bezeichnet wird. Die EZB-Politik ist also nach wie vor akkomodativ. Drittens, der Leitzins liegt weit unterhalb des Niveaus der Leitzinssätze in anderen Ländern mit ähnlich hohen Inflationsraten. Viertens, der Leitzins ist niedrig relativ zur Wirtschaftskraft.
EZB-Präsidentin Christine Lagarde äußerte sich zu dem Wunsch, Zinserhöhungen vorzuziehen (sogenanntes „front-loading“). Dieses „front-loading“ erhöht die Chance, dass die EZB die Zinsen erhöhen kann, ohne dabei die Wirtschaft in eine Rezession zu führen.
Der Hauptfaktor für eine mögliche Rezession im Euroraum ist die aktuelle geopolitische Lage. Wir sehen die Rezessionsrisiken bei 50 Prozent über die nächsten zwölf Monate, und bei 60 Prozent in den nächsten 24 Monate.
Die EZB hat sich einstimmig auf ein neues Anleiheprogramm geeinigt. Dieses soll Fragmentierungsrisiken minimieren, welche die reibungslose Übertragung der Geldpolitik und damit die Preisstabilität beeinträchtigen könnten. Das neue Anleiheprogramm bekräftigt unser Basisszenario, dass die EZB aggressivere Zinserhöhungen vornehmen kann, ohne dabei die Finanzierungskosten stärker verschuldeter Länder zu stark in die Höhe zu treiben.