Wohnungsmangel vorprogrammiert

12.07.2023

Andreas Zederbauer. Felicitas Matern / dagobertinvest

Jahrelang lagen die Preise für Immobilien nun im Aufwärtstrend. Zuerst Lieferengpässe, dann die Teuerung und zuletzt der restriktive Zinskurs der EZB führten schlussendlich zum Sinkflug. Scheint der Boom zwar aktuell vorbei zu sein, ist ein Crash unwahrscheinlich. Denn vor allem in Großstädten bedarf es mit steigendem Zuzug immer mehr Wohnraum und die Dynamik am Immobilienmarkt könnte sich schon bald wieder wenden.

Im letzten Quartal 2022 verringerten sich die Preise für Ein- und Zweifamilienhäuser sowie Wohnungen in Deutschland so stark wie seit 2007 nicht mehr. Sowohl in ländlichen Regionen, als auch in Städten fielen nahezu überall die Kosten – in den Metropolen etwas geringer als in dünn besiedelten Gegenden. Ein Grund für den Markt, in Unruhe zu verfallen? Laut einer Prognose des Hamburger Weltwirtschaftsinstituts dürften die Eigentumswohnungspreise zwar in fast der Hälfte aller 400 deutschen Landkreise und kreisfreien Städten fallen. Doch insbesondere in schnell wachsenden Regionen wie Berlin, Hamburg oder München wird ein jährlicher Wertzuwachs bis 2035 erwartet. Dennoch verunsichert die Lage viele bei der Frage, ob Immobilien weiterhin eine krisensichere Anlage sind.

Seitwärtsverschiebung statt Platzen der Blase

„Man muss die aktuelle Situation deutlich von jener 2008 unterscheiden“, ist Andreas Zederbauer, Vorstand der dagobertinvest AG, überzeugt. Denn wurden damals besonders amerikanische Wohnimmobilien überbewertet und -finanziert, platzte schließlich die Blase. „In Österreich und Deutschland müssen Käufer jedoch einen gewissen Eigenkapitalanteil bereitstellen können. Insofern werden Immobilien hier nicht so fiktiv hoch bewertet, wie es in den USA der Fall war. Dadurch kommt es nicht so leicht zum Crash.“ Durchaus könne es jedoch vorkommen, dass die Immobilienpreise – im Gegensatz zur Vergangenheit – nicht jährlich um fünf bis zehn Prozent ansteigen, wie sich gerade beobachten lässt. Vor allem die Zinsbewegungen seit Juli 2022 führten zu einer Abflachung des Marktes, weil derzeit viele Kaufinteressenten schlichtweg an der Finanzierbarkeit scheitern. „Wenn Banken nun knapp die Hälfte weniger Darlehen ausgeben, spiegelt sich das natürlich am Markt wider“, so Zederbauer.

Weg vom Kauf, hin zur Miete?

Wohnen ist jedoch ein Grundbedürfnis und das Interesse nach einer geeigneten Immobilie ist ungebrochen. Doch erschweren die strengeren Richtlinien sowie die Zinserhöhung eine Kreditaufnahme, verlagert sich der Trend auf Mieten. „Dieses Problem wird wohl noch längerfristig bestehen bleiben. Wer nicht kaufen kann, der mietet. Das bedingt jedoch, dass jemand anderer die Immobilie zuerst gekauft hat – zu ebendiesen schlechteren Bedingungen. Die teureren Zinsen versucht man dann durch die Mieteinnahmen auszugleichen“, erklärt Zederbauer den Grund, warum derzeit die Mieten drastisch in die Höhe schießen. Begrüßenswert sei diese Entwicklung nicht, doch gäbe es neben Miet- und Mietkauflösungen derzeit wenig Alternativen.

Drastischer Einbruch im Neubausegment

Die Bewilligungen für neue Wohnbauprojekte verzeichneten im letzten Jahr einen enormen Rückgang, Tendenz fortlaufend. „Derzeit merkt man die Reduzierung noch nicht sonderlich. In diesem Jahr werden noch viele Projekte fertiggestellt, die bereits vor einigen Jahren begonnen wurden. In den nächsten ein bis zwei Jahren wird es jedoch zu einem drastischen Engpass kommen“, ist sich Zederbauer sicher. Vor allem in Ballungszentren wie Berlin herrscht permanenter Zuzug, jährlich werden neue Wohnmöglichkeiten benötigt. Alleine im Coronajahr 2021 zogen rund 166.500 Menschen in die Landeshauptstadt. Doch unter Anbetracht von Vorlaufzeiten und Anzahl an Baubewilligungen, wird deutlich, dass im urbanen Raum bald ein akuter Wohnungsmangel herrschen könnte. 2022 wurden in Berlin ungefähr 17.000 Wohnungen fertigstellt – eine immense Differenz zur Zuwanderungsquote. Was mit den Immobilienpreise passiert, wenn das Wohnangebot abnimmt, die Nachfrage aber kontinuierlich steigt? Dazu Zederbauer: „Mittelfristig wird es höchstwahrscheinlich zum Preisanstieg kommen, ganz klassisch nach dem Angebot-Nachfrage-Prinzip.“

Was die Lage für Bauträger und Anleger bedeutet

Immobilienentwicklern und Bauträgern hingegen stehen nach wie vor härtere Zeiten bevor. Viele Projekte, die bereits fertig und verkauft hätten werden sollen, sind verspätet – was nicht nur zusätzliche Ressourcen bedarf, sondern auch ein finanzielles Problem ist. „Bauprojekte sind meist zum größten Teil fremdfinanziert. Eine Verzögerung ist dann gleichbedeutend mit einem höheren Zinsaufwand, woraus eine schlechtere Rentabilität der Immobilie selbst resultiert“, so Zederbauer, der derzeit eine verstärkte Nachfrage nach Crowdfinanzierungen beobachtet. Mag die Seitwärtsbewegung des Marktes für viele Anleger verunsichernd wirken, will Zederbauer abschließend beruhigen: „Natürlich ist die aktuelle Lage nicht ideal, aber Wohnraum wird stetig benötigt. Eine Erholung beziehungsweise Wertsteigerung in den nächsten Jahren sehe ich als sehr realistisch an.“ (fw)