Woher kommt dieser Beißreflex gegen neue Technologie?

22.11.2021

Hund gegen Katze, Köln gegen Düsseldorf, Makler gegen Digitalisierung – warum eigentlich? Mit letzterem befasst sich bisure CEO Ulf Papke im folgenden Gastbeitrag.  In einer sehr praxisnahen Analyse sucht er den Ursprung der Technologie-Abneigung vieler Makler, zeigt verpasste Chancen auf und warnt gleichzeitig vor gedankenloser Digitalisierung.

Neulich ist mir einmal wieder der Beißreflex in einer Diskussion bei Facebook aufgefallen, den Makler sofort zeigen, wenn es um neue Technologien oder neue Entwicklungen in der Versicherungsbranche geht. Egal ob um ein neues Geschäftsmodell eines Insurtechs oder um eine digitale Beratungslösung.

„Das funktioniert nie“ oder „Die haben doch keine Ahnung, wie Versicherungsgeschäft funktioniert“ hört man da schnell. Dann wird meist mit jeder Menge „Erfahrung“ von den Versicherungsvermittlern die neue Technologie oder das neue Geschäftsmodell madig gemacht.

Doch woher kommt dieser automatische Reflex, neue Dinge oder digitale Geschäftsmodelle sofort abzuwerten? Meist liegt dies an der eigenen Einstellung zur Entwicklung des eigenen Unternehmens. Oder wie die Insurtechs oder moderne Unternehmer sagen: Business Development. Wenn ich als Makler ein Geschäftsmodell fahre, was ich seit 30 Jahren eigentlich unverändert fortführe, dann habe ich vielleicht den Weg in die moderne Welt noch nicht gefunden. Klingt hart? Ich weiß, aber es ist die Ursache für viele Probleme der Branche.

Nehmen wir mal den klassischen Maklerbetrieb, der sich heute, mindestens 10-15 Jahre zu spät, um das papierlose Büro bemüht. Da werden Zusatzlösungen und Umwege als Heilsbringer verkauft. Die sogenannte Postbox verspricht dem ewig gestrigen die moderne Welt. Leider ist dies höchstens als Brückentechnologie geeignet und kommt Jahre zu spät. Letztendlich dient eine solche Postbox lediglich dazu, den Scanprozess zu ersetzen. Insurtechs oder moderne Technologiedienstleister für Makler nutzen hierfür längst automatisierte Datenübermittlung über BiPRO 430.4. Damit kommt der Datensatz inkl. Schriftstück (Geschäftsvorfall - kurz: GeVo) direkt ins System ohne Umwege. Aber auch dies ist mittlerweile seit ein paar Jahren Standard in der Versicherungswirtschaft, wenn auch noch nicht von allen Marktteilnehmern umgesetzt. Doch was passiert dann mit den Daten? Diese werden von vielen Vermittlern nicht genutzt. Doch passiert hier aktuell etwas in Papierform?

„Wenn ich einen Scheißprozess digitalisiere, habe ich einen digitalen Scheißprozess.“ (Torsten Dirks, ehem. Vorstand Telefonica Deutschland)

Das Schlagwort Digitalisierung nervt mittlerweile schon jeden. Dennoch haben das viele Vermittler falsch verstanden. Es hilft deinem Geschäftsmodell nämlich nichts, einfach alles zu digitalisieren oder ein paar digitale Tools zu nutzen, die du in tollen Webinaren kennengelernt hast. Du musst auch einmal in der Lage sein, deine Verkaufs- und Bestandsprozesse zu hinterfragen. Was passiert denn aktuell mit der Police, wenn diese ins Büro kommt? Wird diese tatsächlich immer wieder gleich auf bestimmte Ereignisse geprüft? Zum Beispiel auf Erhöhungen, Veränderungen der Anschrift oder veränderte Risikomerkmale. Was passiert dann mit diesen Erkenntnissen? Welche Anrufe werden dann beim Kunden gemacht? Welche Serviceprozesse werden dann in Gang gesetzt?

Hier wird vielfach der „alte Hase“ antworten: „Ja, dann ruf ich den Kunden an.“ Doch wenn man weiter nachfragt, wie die letzten 20 Prozesse im letzten Monat abgearbeitet wurden, erntet man Schweigen. Mit anderen Worten: In der Praxis sieht das häufig sehr anders aus. Da werden Schriftstücke eben nicht eingescannt oder einfach nur ungeprüft abgelegt - häufig falsch. Der Mensch als Bearbeiter ist eben sehr fehleranfällig. Egal ob Angestellter oder der Makler als Inhaber selbst. Technische Prozesse muss ich zwar vorab definieren, doch dann funktionieren sie immer. Diese Programmierung kann falsch sein. Dennoch wird sie von der Maschine immer gleich umgesetzt. Moderne Unternehmen feilen ständig an ihren Prozessen. Insurtechs werden anfangs belächelt, aber sie lernen schnell.

Die Prüfung einer neuen Technologie oder neuer Prozesse setzt auch immer die Überprüfung des Status Quo voraus. Viele Vermittler sind hierzu nur zu ungern bereit. Das bedeutet nämlich Arbeit und setzt eine Selbstreflexion voraus. Das Ergebnis ist dann vielfach die Erkenntnis, dass man bisher nicht optimal gearbeitet hat. Das wollen aber die wenigsten hören. Erfolgreiche Unternehmer hinterfragen sich ständig selbst. Nur wer ständig seinen Prozess verbessert, kann wachsen. Und im Wettbewerb ist Stillstand gleich Tod.

Kann es sein, dass deswegen so viele Vermittler reflexartig neue Dinge ablehnen und schlecht machen? Häufig klingt mir in solchen Fällen noch dieser Satz von vor 15 Jahren von einem Versicherungurgestein der Branche im Ohr: „Bei der KfZ-Versicherung brauchst du sooo viele Angaben. Das macht niemals ein Kunde über das Internet“. Das war vor circa 15 Jahren. Damals ging es um die KfZ-Versicherung. Heute wissen wir alle, welcher Vergleicher das größte Stück Kuchen in dieser Sparte vermittelt. Heute ist die Digitalisierung viel schneller und andere Zweige werden längst erfasst. Die Frage ist nur: Wo stehst du in 5 Jahren?  Wills du dir die interessanten Sparten auch abnehmen lassen oder macht es nicht Sinn einmal deine Prozesse zu hinterfragen und neue Technologien auszuprobieren? Vielleicht bringt dir das den Wettbewerbsvorteil in 5 Jahren.

Ulf Papke: 

Als Mitgründer von bi:sure hilft er 1200 Maklerhäusern mit der Plattform business Insurance Portal (bi:port) bei der digitalen Beratung von Gewerbekunden. Zudem ist er ebenfalls selbst seit Jahren erfolgreich als Makler tätig. Neben weiteren Firmen betreibt Ulf Papke mit seiner Maklerfirma Papke Consulting GmbH unter anderem das führende Online-Portal Buergschaft24.de für gewerbliche Kautionsversicherungen.