Wirecard-Skandal: Musterklage bringt Hoffnung für Geschädigte

05.08.2020

Markus Mingers / Foto: © Mingers. Rechtsanwaltsgesellschaft mbH

Bilanzverfälschung, Börsenkursmanipulation, milliardenschwerer Betrug – Nachdem vor einigen Wochen der Skandal um den Finanzdienstleister Wirecard bekannt geworden ist, nehmen die Neuentwicklungen der Situation kaum ab. Der Dienstleister hat Insolvenz angemeldet, die Staatsanwaltschaft ermittelt – doch wer trägt die Verantwortung?

Ein Überblick: Was ist bei Wirecard passiert?

Jahrelang haben Wirtschaftsprüfer dem Finanzdienstleister Wirecard positive Bilanzen bescheinigt, dabei waren diese zum Teil nur erfunden, vermutet die Staatsanwaltschaft nach bisherigen Ermittlungen. 1,9 Milliarden Euro fehlten in den Bilanzsummen des Unternehmens, wie die Wirtschaftsprüfer Ernst & Young (EY) vor einigen Wochen feststellten. Am 18. Juni hat Wirecard den Betrugsfall eingestanden, der Aktienwert des Unternehmens sank daraufhin um 99 Prozent. Mittlerweile wird die entstandene Schadenssumme auf 3,2 Milliarden Euro geschätzt, die aufgrund der Insolvenz des Unternehmens verloren wären.

Verdacht auf Betrug schon seit Jahren im Raum

Der Betrugsverdacht kommt längst nicht aus dem Nichts. Bereits seit Jahren sind Spekulationen über Unstimmigkeiten in der Bilanzierung des Konzerns im Umlauf gewesen – unter anderem die Financial Times hat darüber berichtet. Die Politik scheint davon jedoch unberührt geblieben, selbst bei der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) blieb der Betrugsfall trotz vergangenen Prüfungen unentdeckt.

Der Vorwurf: Gewerbsmäßiger Bandenbetrug

Mehrere Spitzen-Manager des Unternehmens saßen in den vergangenen Wochen bereits in Untersuchungshaft – Gewerbsmäßiger Bandenbetrug, Untreue und Marktmanipulation gehören zum Tatvorwurf. Insbesondere gegen den ehemaligen Vorstandsvorsitzenden Markus Braun sowie den Ex-Vertriebsvorstand Jan Marsalek wird Kritik laut. Doch auch gegenüber Aufsichtsbehörden und Politik häufen sich die Vorwürfe. Klar wird: einen Einzeltäter gibt es im Fall Wirecard nicht, der Betrug nimmt immer größere und ungeahnte Ausmaße an.

Die politische Seite: Reform der deutschen Finanzaufsicht

Auf der politischen Seite richtet sich die Kritik gegen Bundesfinanzminister Olaf Scholz, Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier sowie Bundeskanzlerin Angela Merkel. Sie alle stehen in verschiedenem Ausmaß in einem Zusammenhang mit dem Skandal, die Opposition erwägt daher, einen Untersuchungsausschuss einzurichten. Scholz selbst hat bereits eine Reform der deutschen Finanzaufsicht angekündigt und schlägt zum Beispiel vor, die BaFin mit mehr Befugnissen zu stärken.

Die aktuellen Entwicklungen: Vieles weiterhin unklar

Der Ex-Chef Markus Braun wurde innerhalb von vier Wochen bereits zum zweiten Mal in Untersuchungshaft genommen. Diesmal ist er nicht gegen Kaution freigekommen. Der Ex-Vertriebsvorstand Jan Marsalek ist offenbar weiterhin auf der Flucht, er wird derzeit in Russland vermutet. Auch gegen die Wirtschaftsprüfer Ernst & Young laufen Ermittlungen durch die Wirtschaftsprüfer-Aufsicht Apas des Bundeswirtschaftsministeriums.

Vor dem Hintergrund der aktuellen Ereignisse bleiben dementsprechend viele Fragen offen. Unklar bleibt zum Beispiel weiterhin, gegen wen sich die Anklageschrift richten wird und wann ein Urteilsspruch verkündet wird. Für Geschädigte bleibt außerdem auf Schadensersatz zu hoffen. Wir sehen in einem derzeit von uns vorbereiteten Musterverfahren für die geschädigten Aktionäre und Inhaber von Wirecard-Anleihen oder Derivaten eine sehr große Hoffnung Schadensersatz zu erlangen.

Gastbeitrag von Markus Mingers, Mingers. Rechtsanwaltsgesellschaft mbH