Wie sinnvoll ist die Regulierung?
10.04.2019
Foto: © Fokussiert - stock.adobe.com
Durch das Aufsichtsregime Solvency II wurde den Versicherungsunternehmen eine Vielzahl neuer Regelungen beschert und sie müssen nun tausende Seiten an Richtlinien, Verlautbarungen und Auslegungsentscheidungen beachten. Doch ist das alles wirklich nötig?
Die Versicherungsbranche begrüßt grundsätzlich die Grundidee eines risikoorientierten Ansatzes in der Aufsicht von Versicherungsunternehmen. Die im Jahr 2016 in Kraft getretene Richtlinie Solvency II hat laut einer Untersuchung des GDV jedoch die Kosten für die Einführung und den laufenden Betrieb bei Versicherungen deutlich erhöht. „Die höheren Verwaltungskosten wirken sich zwangsläufig auf die Versicherungsbeiträge der Kunden und damit zu Lasten der Bürger aus. Bei kleineren Versicherungsunternehmen steigen die Verwaltungskosten überproportional. Dabei ist der Proportionalitätsgrundsatz an vielen Stellen in der Versicherungsaufsicht doch fest verankert“, merkt Stefan Schumacher, Vorstand der vigo Krankenversicherung VVaG, kritisch an. „Bei der Frage nach der Anwendung der Verhältnismäßigkeit von EU-Vorschriften für kleine Versicherungsunternehmen wäre es besser zu fragen, ob eine konkrete Vorschrift überhaupt anzuwenden ist, nicht nur wie sie anzuwenden ist“, so Schumacher weiter.
Vor diesem Hintergrund hat die FDP-Bundestagsfraktion eine Kleine Anfrage an die Bundesregierung gestellt und fragt, welche Konsequenzen die mit Blick auf das Berichtswesen komplexe und aufwändige Regulierung besonders für kleinere und mittlere Versicherungsunternehme zur Folge hat und was es für die Versicherungskunden bedeutet. "Der Wettbewerb lebt von der Vielfalt, nicht von der Dominanz einiger großer Unternehmen. In Deutschland gibt es viele kleinere Versicherungsunternehmen, teilweise mehr als hundert Jahre alt, die regional oder segmentspezifisch sehr erfolgreich sind, aber mit der EU-Regulierung und der noch weitergehenden nationalen Umsetzung einen Wettbewerbsnachteil erleiden. Hier besteht seitens der Politik Handlungsbedarf", erläutert Bettina Stark-Watzinger (FDP), Vorsitzende des Finanzausschusses des Bundestages. Dies kann Stefan Schumacher bestätigen: „Im Berichtswesen von Versicherungsunternehmen gibt es viele unnötige Redundanzen und viele sehr formale Vorgaben. Ein Bericht zur Solvenz- und Finanzlage (SFCR) wird zum Beispiel vom durchschnittlichen Versicherungskunden kaum beachtet. Bislang hat sich die Politik um diese Situation nicht gekümmert. Daher ist es gut, wenn sich jetzt mit der Frage nach der Sinnhaftigkeit der Überregulierung – insbesondere der kleineren und mittleren Versicherungsunternehmen – beschäftigt wird.“ Die vigo Krankenversicherung VVaG gehört dem Verband der kleinen Versicherungsvereine auf Gegenseitigkeit (VVaG Nord) an und tauscht sich in diesen Fragen regelmäßig mit anderen Versicherern aus.
Überprüfungsverfahren auf europäischer Ebene
Die Europäische Aufsichtsbehörde für das Versicherungswesen (EIOPA) sammelt derzeit Verbesserungsvorschläge für bestehende Berichtsanforderungen. Untersucht wird insbesondere, ob die aktuellen Berichtspflichten ihre Zielsetzung erfüllen und wie der Proportionalitätsgedanke gestärkt werden kann. Ein anstehender Solvency II-Review 2020 könnte dazu führen, dass anschließend das Berichtswesen stärker adressaten- und risikoorientiert ausgerichtet werden darf. (ahu)