Wie gesund lebt Deutschland?

30.07.2018

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Dieser Frage ist die DKV zum fünften Mal seit 2010 nachgegangen. Dabei zeigt sich ein deutlicher Negativtrend. Zwei neue Bundesländer erweisen sich dabei als Lichtblick. Aber auch in einer negativen Kategorie ist ein ostdeutsches Bundesland führend.

Unter der wissenschaftlichen Leitung von Ingo Froböse, Professor an der Deutschen Sporthochschule Köln, führte die GfK Nürnberg pro Bundesland mindestens 200 Interviews zum Thema Gesundheitsverhalten durch. Der DKV-Report 2018 zeigt, dass immer weniger Menschen auf einen gesunden Lebensstil setzen. So sank der Anteil der befragten Personen, die bewusst auf Bewegung, Ernährung, Nikotin und Alkoholkonsum sowie auf einen gesunden Umgang mit Stress achten, auf 9 % und damit zum ersten Mal unter die 10 %-Marke. Damit setzt diese Benchmark für ein gesundes Leben ihre Talfahrt fort: Bei der ersten Auflage im Jahr 2010 wurde sie noch von 14 % der Befragten erreicht.

Das Thema „gesunder Lebensstil“ ist zwischen den Bundesländern sehr unterschiedlich verteilt. So erreichten in Hamburg und Sachsen 12 % der Befragten alle Benchmarks in den Bereichen körperliche Aktivität, Ernährung, Rauchen, Alkohol und Stressempfinden. Anders hingegen in Hessen wo nur 7 % aller Befragten die Benchmarks erreichten, weniger als in allen anderen Bundesländern.

Deutschland bewegt sich zu wenig

Der negative Trend des DKV-Reports zeigt sich im Bereich der körperlichen Aktivität. Erreichten im Jahr 2010 noch 60 % der Befragten den Richtwert für körperliche Aktivität, waren es in diesem Jahr lediglich 43 %. 10 % der Befragten gaben sogar an, dass sie weder im Privat- noch im Berufsleben einer körperlichen Aktivität nachgehen würden, die länger als zehn Minuten am Stück dauert. Zu wenig Bewegung ebnet den Weg für viele zivilisationsbedingte Erkrankungen wie Rückenschmerzen, Übergewicht, Bluthochdruck, verschiedene Krebsarten und Diabetes Typ II. Doch auch die seelische Gesundheit kann unter fehlender körperlicher Bewegung leiden. "Ausreichende Bewegung in der Freizeit gilt als gute Methode zum Stressabbau“, weiß Ingo Froböse. „Wer also insgesamt nicht ausreichend körperlich aktiv ist, kann unter Umständen seinen Alltagsstress nur unzureichend kompensieren und demnach anfälliger für psychosomatische Leiden sein.“

Ein Grund für den Rückgang der Bewegung könnte sein, dass laut der „Worldwide Survey of Fitness Trends for 2018“ vor allem Einzelaktivitäten wie Joggen, Radfahren oder Schwimmen immer mehr an Bedeutung verlieren. Die jährlich durch US-Sporthochschulen –und –verbände durchgeführte Umfrage macht hingegen deutlich, dass Gruppenaktivitäten einen neuen Popularitätsschub erleben. Möglicherweise liegt darin sowohl Ursache als auch Lösung für das Problem zurückgehender Bewegung: Einerseits bewegen sich die Menschen weniger, weil sie keine Mitstreiter für Gruppenaktivitäten finden. Wenn sie aber mal welche gefunden haben, bleiben sie auch länger an einer Sportart dran, weil sie ihre Mitstreiter nicht im Stich lassen wollen – und motivieren andere vielleicht auch noch dazu.

„Im Bereich der körperlichen Aktivität klafft eine erhebliche Lücke zwischen dem führenden und dem am schlechtesten platzierten Bundesland“, hebt Ingo Froböse hervor. So setzen in Sachsen-Anhalt 53 % der Befragten die Empfehlung der Weltgesundheitsorganisation WHO zu körperlicher Aktivität um, wenn man die Lebensbereiche Arbeit, Transport und Freizeit betrachtet – mehr als in jedem anderen Bundesland. Auch hier bildet Hessen das Schlusslicht: Hier bewegen sich nur 37 % der Befragten so, wie es die WHO als gesund empfindet. „Deutschland geht die Puste aus“, kommentiert Clemens Muth, Vorstandsvorsitzender der DKV, die Ergebnisse. „Seit der Erstauflage des Reports 2010 bewegen sich die Deutschen immer weniger – dabei ist körperliche Aktivität von zentraler Bedeutung für unser Wohlbefinden. Das gilt für alle Altersgruppen und fängt schon im Kindesalter an.“

Berlin Hauptstadt der Sitzenbleiber

Im Durchschnitt sitzt jeder Deutsche täglich 7,5 Stunden. Mit 450 Minuten liegt der Medien in diesem Jahr um eine halbe Stunde höher als noch 2016 und wieder auf dem Niveau von 2012. Auch in dieser Hinsicht zeigt sich Deutschland wieder als geteiltes Land: Während die Menschen in Sachsen-Anhalt täglich nur 426 Minuten (sieben Stunden und zehn Minuten. sitzen, sind es in Berlin 518 Minuten oder 8,6 Stunden. „Als privater Krankenversicherer sehen wir mangelnde Bewegung als eine der Hauptursachen für Herz- und Kreislauferkrankungen“, so Muth. „Bewegung ist dabei keine Frage des Alters, sondern des Tuns.“ „Forschungsergebnisse deuten darauf hin, dass lange und wenig unterbrochene Sitzzeiten das Risiko für die Entstehung von zahlreichen Zivilisationserkrankungen erhöhen können“, erläutert Ingo Froböse. „Diese negativen gesundheitlichen Effekte sind nur durch ein sehr hohes Maß an körperlicher Aktivität wieder auszugleichen.“

Die zunehmende Zahl der Vielsitzer ist besonders dem Wandel des Berufslebens geschuldet. So sitzt fast jeder Dritte Deutsche während der Arbeit zwischen vier und sechs Stunden täglich. Das trifft besonders auf junge Menschen zu. „Ein gesundes Verhältnis zu Bewegung fängt bereits im Kindesalter an. Gerade in Kindergärten und Schulen müssen wir das Aktivitätsverhalten prägen“, fordert Clemens Muth. „Das große Einmaleins der körperlichen Aktivität steht daher dem Wissen über die Gesetzmäßigkeiten der Schwerkraft in nichts nach.“

Die Kombination der Vielsitzer (mehr als acht Stunden pro Tag) mit den körperlich inaktiven Personen der Befragung macht deutlich, dass hier fast jeder Dritte die negativen Effekte im Hinblick auf eine gesunde Lebensführung noch verstärkt. Insgesamt 28 % der Befragten outen sich sowohl als Vielsitzer als auch Bewegungsmuffel und verfehlen die Mindestaktivitätsempfehlungen.

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