Who Cares?

22.09.2013

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„Angesichts des starken Nachfrageanstiegs werden sich Pflegeimmobilien in den nächsten Jahren als Immobilienanlage etablieren." Es ist acht Jahre her, dass die Deutsche Bank diese Prognose in einer Studie aufgestellt hat. Heute kann festgestellt werden: Sie hat sich bestätigt – setzt sich dieser Trend fort?

In den letzten Jahren haben Emissionshäuser eine Vielzahl angeschlossenen Fonds aufgelegt, die in Pflegeheime investieren, Initiatoren wie IMMAC und INP haben sich auf dieses Asset spezialisiert. Dennoch bezweifeln Fachleute in regelmäßigen Abständen, dass Pflegeimmobilien ein lohnenswertes Investment darstellen: Die Zahl der Pflegebedürftigen werde entgegen anderslautender Prognosen nicht signifikant steigen, auch werde die häusliche Pflege immer wichtiger. Zudem lässt sich nicht bestreiten, dass bei Pflegeheimen viele gesetzliche Bestimmungen in sozial- und baurechtlicher Hinsicht zu beachten sind. Überfordert die nötige Expertise Anleger und Vermittler? Wir haben Emissionshäuser, Projektentwickler und Betreiber von Pflegeimmobilienmit den häufigsten Bedenken konfrontiert.

Die Zahl der Pflegebedürftigen wird nicht signifikant steigen.

Gründe sind medizinische Fortschritte, veränderte Lebenseinstellungen

und gesündere Ernährungsgewohnheiten.

„Nein, das Gegenteil ist der Fall", erklärt Oliver Harms, Vorstand der INP Holding AG. „Die Menschen werden älter und somit auch die Anzahl an pflegebedürftigen Menschen, die Bewohner von vollstationären Pflegeeinrichtungen sind nicht etwa 60, sondern in der Regel 85 plus." INP hat im September einen weiteren Pflegeimmobilienfonds gestartet. Das Beteiligungsangebot investiert in eine Pflegeeinrichtung in Aalen (Baden-Württemberg), die langfristig an die Kursana Care GmbH vermietet ist. Laut Harms hat auch die Zunahme der Alterskrankheit Demenz Auswirkungen: „Bereits 30 % aller über 90-Jährigen sind demenzkrank. Diese Form der Pflegebedürftigkeit ist insbesondere in vollstationären Einrichtungen optimal zu betreuen." Lutz Wiemer, Mitglied der Geschäftsführung der Hamburg Trust GmbH, stimmt ihm zu: „Die oben genannten Faktoren haben zur Folge, dass die Menschen im Durchschnitt immer älter werden. Dadurch steigt auch die Zahl der Pflegebedürftigen." Hamburg Trust hat angekündigt, gemeinsam mit der KLINGSÖHR Unternehmensgruppe einen Projektentwicklungsfonds für Pflegeheime aufzulegen. Das Portfolio soll zehn Objekte im Wert von 100 Mio. Euro umfassen. Das Geld soll bei institutionellen Anlegern eingeworben werden. Etwas vorsichtiger als die Initiatoren blickt Dr. Michael Held in die Zukunft, Geschäftsführer der auf die Entwicklung von Pflegeheimen spezialisierten TERRAGON INVESTMENT GmbH. Nach seiner Einschätzung wird die Nachfrage nach Pflegeplätzen zwar steigen, jedoch weniger als sich aus dem Wachstum der Zahl der Hochbetagten rein rechnerisch ergibt.

Alternative Angebote werden an Bedeutung gewinnen,

speziell die Betreuung zu Hause.

Die Betreuung zu Hause kann laut Wiemer nicht annähernd die Versorgungslücke schließen, die nach Prognosen von ExpertenimJahr2030 bei 242.000 Betten und im Jahr 2050 bei 572.000 Betten liegen wird: „Die zunehmende Individualisierung der Gesellschaft, die durch Ein- und Zwei-Personen-Haushalte dominiert wird, führt zu einem weiteren Rückgang familiärer Unterstützungspotenziale." Auch Ralf Licht, Geschäftsführer der CASA REHA Unternehmensgruppe, weist auf den Wandel in den Familienstrukturen hin: „Außer der geringen Geburtenzahl wächst die Anzahl der Single-Haushalte, und aufgrund der beruflichen verlangten örtlichen Flexibilität leben Familien nicht mehr in einer Region nah beieinander. In der Konsequenz führt dies dazu, dass entweder keine Kinder zur Pflege vorhanden sind oder diese schon ein Alter erreicht haben, in dem sie die Pflege der Eltern nicht optimal wahrnehmen können." Vor diesem Hintergrund entwickle sich die Auslastung in den eigenen Häusern positiv. CASA REHA betreibt 63 Heime mit rund 9.400 Pflegeplätzen in Deutschland. „Die Kosten der notwendigen privaten Umbaumaßnahmen, die für eine angemessene und bedarfsgerechte Pflege aufzufangen wären, übersteigen deutlich die Kosten für eine entsprechende stationäre Pflege, von den Personal-und Organisationskostenganz abgesehen", ergänzt Isabella Müller-Jakobs, Mitglied der Geschäftsleitung der Pro Seniore AG. Viele private Haushalte werden nach ihrer Einschätzung aus eigener Kraft den Umbau ihres Eigenheimes nicht stemmen können und sind auf Zuschüsse des Staates angewiesen. „Beachtet werden muss auch die Einschränkung der eigenen Berufstätigkeit bei der häuslichen Organisation der Pflege, die zu Einkommensverlusten führen wird", so Müller-Jakobs. Die durchschnittliche Auslastung der eigenen Häuser sei in den vergangenen Jahren kontinuierlich gestiegen. Pro Seniore betreibt bundesweit über 100 Einrichtungen mit rund 17.000 Betten. „Pflegeformen, die dem Bedürfnis nach Selbstbestimmung und Autonomie auch im hohen Alter Rechnung tragen, werden eine zunehmend größere Rolle spielen", erwartet Held. Deshalb rät er von monostrukturellen Heimen ab und empfiehlt Mischformen aus stationärer Pflege, betreutem Wohnen sowie Tages- und Kurzzeitpflege: „Damit kann mit größerer Sicherheit eine angemessene gute Rendite erzielt werden."

Nach Schätzungen von Ernst & Young wird bis 2020 etwa jedes siebte Pflegeheim vom Markt verschwinden. Die Pflegebranche ist besonders anfällig für Insolvenzen.

„Grundsätzlich halte ich die Pflegebranche unter heutigen Gesichtspunkten für einen konjunkturunabhängigen Wachstumsmarkt und nicht anfällig für Insolvenzen", erklärt Frank Winkel, Geschäftsführer der WI-IMMOgroup. Das Unternehmen ist Initiator für Pflegeimmobilien als Kapitalanlage, aber auch als Bauträger, Bauherr, Projektentwickler, Co-Investor, Vertriebskoordinator und Verwalter tätig. Wichtige Voraussetzung sei ein solides Kostenmanagement der Betreiber und eine solide Bewertung des Standortes nach dem tatsächlichen und langfristigen Bedarf an neuen Pflegeeinrichtungen. Müller-Jakobs hebt hervor, dass sich viele Fondshäuser gezielt auf die Pflegebranche eingestellt haben: „Sie können gründlich analysieren und die jeweiligen Risiken sehr genau abschätzen." Zudem seien die Rahmenbedingungen des Baurechts und der Refinanzierung bekannt und sehr transparent. Laut Stefan Klingsöhr, Geschäftsführer der KLINGSÖHR Unternehmensgruppe, kommt es auch auf die Nachhaltigkeit der Pacht an. Eine zu hohe Pacht sei weder für den Betreiber noch für den Investor zielführend. „Der Betreiber kann bei einer zu hoch vereinbarten Pachtzahlung nur schwer kostendeckend arbeiten. Gerät er in wirtschaftliche Schwierigkeiten, übertragen sich diese auf den Investor", sagt er. Klingsöhr unterstützt Mandanten bei der Ertragsoptimierung ihrer Pflegeheime und Seniorenresidenzen. Wiemer erwartet, dass die klassischen Altenheime der fünfziger bis achtziger Jahre des zwanzigsten Jahrhunderts zunehmend vom Markt verschwinden werden: „Die Zukunft gehört ambulant betreuten Haus- und Wohngemeinschaften mit Einzelzimmern und gemeinschaftlichen Wohn-, Ess- und Kochbereichen."

Experten fordern ein hohes Maß an Flexibilität des Gesamtkonzeptes. Bestimmte Heimbereiche sollten nach Bedarf angepasst werden können, z. B. die Größe der Demenzabteilung. Diese Forderung ist für Pflegeheimbetreiber unter Berücksichtigung der hohen Instandhaltungskosten problematisch.

„Diese Flexibilität ist in unseren Häusern und auch in weiten Teilen der Seniorenpflege längst obligatorisch", erklärt Müller-Jakobs. Sie sei zwingender Bestandteil eines vorausschauenden Konzeptes, das älteren Menschen einen möglichst selbstbestimmten und dem bisherigen Lebensstandard entsprechenden Lebensabend ermöglicht. CASA REHA unterhält einen eigenen Projektentwicklungsbereich, der sich mit zukunftsfähigen Pflegeheimkonzepten beschäftigt. „Wir achten im Vorfeld darauf, dass die Gebäudestrukturen es ermöglichen, die Raumanordnung zu verändern. Unsere Instandhaltungskosten kontrollieren wir, indem wir darauf achten, dass qualitativ hochwertig gebaut wird. Nachhaltigkeit wird dadurch erreicht, dass die Materialien beständig und pflegeleicht sind", so Licht. Die Kosten seien vergleichbar mit denen großer Bestandshalter von gewerblichen Büroimmobilien: „Dazu trägt unter anderem bei, dass wir alle Wartungsverträge direktmit den Dienstleistern abschließen." Klar ist für die Marktteilnehmer jedenfalls: Heime, die nach „Schema F" errichtet werden, haben zukünftig keine Chance mehr. „Diese ‚Pflegeheime von der Stange' lassen Zweifel aufkommen, ob sie von anderen Generationen als der doch eher anspruchslosen Kriegsgeneration angenommen werden. Freiwillig bestimmt nicht", erwartet Held.

Zusammenfassung

Die entscheidenden Faktoren bei einer Investition in Pflegeimmobilien sind erfahrene Betreiber, solides Kostenmanagement und seriöse Bewertung des Standortes. „Werden die drei Kernfaktoren Standort, Konzept und Preis beachtet, stellen Pflegeheime ein nachhaltiges Investment dar", bestätigt Markus Bienentreu, Geschäftsführer des auf Pflegeheime spezialisierten Beratungsunternehmens TERRANUS. Ist eines dieser Kriterien nicht erfüllt, sind die Renditeprognosen gefährdet. Den künftigen Bedarf an Pflegeheimen treibt nach Einschätzung von Klingsöhr nicht nur die Demografie, sondern auch gesetzliche Vorgaben. So fordern die Landesheimgesetze einiger Bundesländer weitaus höhere Einzelzimmerquoten als derzeit in den Heimen vorhanden sind. „Die Folge ist ein hoher Umbaubedarf bei bestehenden Einrichtungen sowie darüber hinaus notwendiger Neubau, um die wegfallenden Mehrbettzimmer auszugleichen", so Klingsöhr. Auch er ist der Ansicht, dass Angebote wie das betreute Wohnen zu Hause keine Alternative zu einem Pflegeheim darstellen: „Die Zielgruppe beider Angebote ist eine andere. Den Grad der Pflegebedürftigkeit, die in einem Pflegeheim abgedeckt wird, kann nur durch eine 24-Stunden-Betreuung erreicht werden."

                                                                                                     (Kim Brodtmann)

Pflegeimmobilien - Printausgabe 05/2013