Wer will in ein „Mörderhaus” ziehen?
03.11.2023
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Messerstecherei, Schusswaffengebrauch oder gar Kannibalismus – Immobilien, in denen ein Verbrechen begangen wurde, stellen Makler vor eine beträchtliche Herausforderung. Laut einer repräsentativen Umfrage, die YouGov im Oktober 2023 im Auftrag von Kleinanzeigen unter 2.051 Teilnehmenden in Deutschland durchgeführt hat, würden 24 Prozent der Befragten in ein sogenanntes Mörderhaus ziehen.
Auf die Frage, ob Menschen aus ihrer Wohnung bzw. ihrem Haus ausziehen würden, wenn sich im Nachhinein herausstellt, dass dort einmal ein Mord geschehen ist, antworteten lediglich 15 Prozent der Befragten mit Ja, unabhängig davon wie lange das Verbrechen bereits her ist. 43 Prozent verneinten einen Auszug, weitere 17 Prozent machten die Entscheidung von der verstrichenen Zeit seit dem Mordzeitpunkt abhängig.
Wohnungen und Häuser, in denen in den vergangenen Jahren oder Jahrzehnten ein Gewaltverbrechen verübt wurde, werden im Normalfall zu einem günstigeren Miet- oder Kaufpreis angeboten. „In Fachkreisen spricht man von einem merkantilen Minderwert, der je nach Art, Schwere und zurückliegender Dauer des Verbrechens zwischen 10 und 100 Prozent des Immobilienwerts betragen kann. Es handelt sich dabei um eine Art psychologischen Abschlag”, meint Jürgen Michael Schick, CEO der Michael Schick Immobilien GmbH & Co. KG und Ehrenpräsident des Immobilienverband Deutschland IVD.
40 Prozent der Befragten gaben an, dass sie ein Mörderhaus kaufen würden, wenn sie dafür einen niedrigeren Preis zahlen müssten. Besonders Männer lassen sich von der Vorgeschichte der Immobilie nicht abschrecken, wenn sie dafür ein Schnäppchen machen können. 53 Prozent der befragten Männer würden zuschlagen. Bei den Frauen beträgt die Zahl lediglich 28 Prozent.
Ob Verkäufer und Makler bei der Transaktion über ein zurückliegendes Gewaltverbrechen in der entsprechenden Immobilie informieren müssen, ist nicht abschließend geklärt. Dennoch gibt es eine Offenbarungspflicht, wenn der Wert beeinträchtigt wird. Das Landgericht Coburg hat in einem Urteil vom 6. Oktober 2022 (Az.: 11 O 92/20) jedoch erklärt, dass das nicht zeitlich unbegrenzt ist. Zuvor hatte eine Käuferin geklagt, die 2018 ein Wohnanwesen zur Eigennutzung gekauft hat. In dem Haus hatte 1998 ein Doppelmord stattgefunden. Die beklagte Verkäuferin selbst erwarb die Immobilie im Jahr 2004 und erfuhr erst einige Jahre später von dem Verbrechen. Das Landgericht Coburg wies den Vorwurf der arglistigen Täuschung zurück, weil zwischen Verbrechen und Kauf mehr als 20 Jahre lagen und die Verkäuferin selbst mehr als zehn Jahre in der Immobilie gelebt hat.
„Makler müssen und sollen grundsätzlich über jede Art von Mangel und Schaden an einer Immobilie informieren, auch ein zurückliegendes Gewaltverbrechen gehört dazu. Dennoch kann die Historie insbesondere bei älteren Häusern nie lückenlos geklärt werden, zumal diese viele Verkäufer selbst nicht kennen”, sagt Schick.
Ein bekanntes Beispiel der Kategorie Mörderhaus ist das Haus des Kannibalen von Rotenburg. Aufgrund der Grausamkeit des dort verübten Verbrechens konnte, trotz monatelanger Suche und drastischer Reduzierung des Kaufpreises, selbst bei der Zwangsversteigerung kein passender Käufer gefunden werden. Der merkantile Minderwert betrug demnach 100 Prozent. (fw)