Wer China aufgibt, hat verloren

09.12.2024

Dr. Markus C. Zschaber, Gründer, V.M.Z. Vermögensverwaltungsgesellschaft / Foto: © V.M.Z. Vermögensverwaltungsgesellschaft, Dr. Markus C. Zschaber mbH

Mit einer Kursrally hat der Aktienmarkt in China in den zurückliegenden Wochen auf sich aufmerksam gemacht und für Erstaunen gesorgt. Denn Chinas Börsen fristen seit einigen Jahren ein Schattendasein. Obwohl Peking nach wie vor daran arbeitet, sowohl wirtschaftlich wie politisch die USA als mächtigste Nation der Welt vom Thron zu stoßen, am Aktienmarkt wurde dies längere Zeit ignoriert.

Der Shanghai Composite Index etwa, einer der wichtigsten Leitindizes des Landes, bewegt sich seit fast zehn Jahren unter dem Strich kaum von der Stelle. Zwar gab es zwischenzeitlich immer mal wieder heftige Ausschläge, doch summa summarum hat sich wenig getan. Notierte der Index Anfang 2016 bei rund 3.000 Punkten, sind es nun, auch unter Berücksichtigung der jüngsten Aufwärtsbewegung, nicht einmal zehn Prozent mehr. Die US-Börse hingegen hat sich im gleichen Zeitraum fulminant geschlagen.

China bringt ein Bündel an Maßnahmen auf den Weg

So wird das nichts, mit der Weltmacht China. Und das scheint man so auch in Peking zu sehen. Um endlich voranzukommen, hat man nun ein ganzes Bündel an Maßnahmen verabschiedet, die die Wirtschaft stärken sollen. Das gab es auch schon in der Vergangenheit, doch nun sind die Maßnahmen aufeinander abgestimmt, sozusagen eine konzertierte Aktion. Vom „Doppel-Wumms“ ist die Rede, unter Anspielung auf eine Aussage von Bundeskanzler Olaf Scholz. Doch während der deutsche „Doppel-Wumms“ längst verblasst ist – beziehungsweise nie so wirklich gezündet hat –, könnte das chinesische Pendant größere Wirkung entfalten. So hat Peking nicht nur den wichtigen Zinssatz für siebentägige Reprogeschäfte von 1,7 Prozent auf 1,5 Prozent gesenkt, man hat zudem auch den Mindestreservesatz der Banken um 0,5 Prozent heruntergefahren.

Das hört sich im ersten Moment alles nicht spektakulär an, ist aber an Wirkung nicht zu unterschätzen. So könnten allein diese beiden Maßnahmen für zusätzliche Liquidität am Finanzmarkt von rund einer Billion Yuan, das sind umgerechnet etwa 130 Milliarden Euro, sorgen. Doch es geht noch weiter. Zeitgleich wurden die Bedingungen am Immobilienmarkt gelockert. So müssen Wohnungskäufer nur noch mindestens 15 statt bisher 25 Prozent an Eigenkapital aufbringen. Außerdem wurden die Zinsvorgaben für Hypotheken gesenkt, und der Erwerb von Zweitwohnungen wird weniger eingeschränkt, dank geringeren Auflagen.

China wittert seine Chance

Standen letztere Vorschriften noch ganz im Zeichen der Immobilienblase, die Peking bekämpfen wollte, steht nun wieder Wachstum auf dem Programm. Dabei scheint die Immobilienblase noch nicht ganz aufgestochen, sagen Kritiker. Doch in Peking sieht man das scheinbar anders. Blase hin, Blase her, Wirtschaftswachstum ist wichtiger. Dass das alles ausgerechnet jetzt passiert, ist vielleicht auch kein Zufall. Erstens schwächelt Chinas Wirtschaft. Mit 4,8 Prozent Wachstum im laufenden Jahr droht China sein selbstgestecktes Ziel von mindestens fünf Prozent BIP-Wachstum zu verfehlen. Das kann man als Luxusproblem bezeichnen, vor allem aus deutscher Sicht – bei uns stagniert die Wirtschaft, da sind 4,8 Prozent ein Traumwert. Doch für Peking steht viel auf dem Spiel.

Letztendlich geht es um die Rechtfertigung des Führungsanspruches der herrschenden Politikerkaste. Werden Ziele nicht erreicht, könnte Chinas Bevölkerung auf die Idee kommen, dass die Kommunistische Partei doch nicht die beste alle Welten bietet. Ein weiterer Punkt ist die Geopolitik. Der Westen, insbesondere die USA, stehen unter Druck. Gerade jetzt, wo die US-Wahlen stattfinden, die für extreme Unsicherheiten sorgen, wittert Peking eine Chance, seinen Einfluss auszubauen. Doch das geht nur, wenn man selbst gut dasteht. Dem Regierungswechsel in Washington, wie auch immer der aussieht, will Peking starke Wachstumszahlen gegenüberstellen. Auf das Timing kommt es hier an. Gut vorstellbar also, dass noch weitere Maßnahmen verabschiedet werden, um zum Jahresende hin den vollen „Doppel-Wumms“ zu entfalten.

Aktienmarkt China – weiterhin trotzdem ein Fragezeichen

Darauf scheint man natürlich auch an der Börse setzen zu wollen, das würde zumindest das jüngste Plus beim Shanghai Composite Index erklären. Das Narrativ hat sich unter Börsenanalysten geändert, ist zu hören. Von „Anything but China“, also „Alles, bloß nicht China“, zu „All-in, buy China“, was so viel heißt wie „Voll reingehen, China kaufen“. USamerikanische Börsengrößen wie etwa David Tepper von Appaloosa Management preisen Chinas Aktienmarkt ganz offen im Fernsehen als „gute Kaufgelegenheit“ an. Der ist zudem relativ günstig, sagen Analysten, aber eben auch riskant, merken Kritiker an.

Unser Haus betrachtet es wesentlich skeptischer, auf der einen Seite ist es natürlich hoch interessant, wie China versucht über Zins und Liquiditätssteuerung und weitere Impulse zu agieren, auf der anderen Seite ist der Aktienmarkt seit Jahrzehnten in China nicht annähernd so positiv gelaufen wie die westliche Welt.

Vielleicht bleibt es auch dabei, geht es Chinas Wirtschaft wieder besser, blüht auch der Westen wieder auf und hier gibt es genug Unternehmen, an denen man sich über Aktienbeteiligen kann – und darauf setzen wir.

Marktkommentar von Dr. Markus C. Zschaber, Gründer der V.M.Z. Vermögensverwaltungsgesellschaft.