Wenn's mit der BU nicht klappt, ist Kreativität angesagt!

26.09.2013

**„Schafft die BU sich ab?" Diese Frage wird nicht von Verbraucherschützern gestellt, sie kommt von **Michael Franke, einem intimen Kenner der Branche. Mit seinem Rating-Unternehmen Franke und Bornberg analysiert und bewertet er auch die Tarife zur Berufsunfähigkeitsversicherung.

Anfang des Jahres schlug Michael Franke, geschäftsführender Gesellschafter vom Analysehaus Franke und Bornberg, Alarm: „Noch vor wenigen Jahren war es üblich, nur zwischen kaufmännischen Berufen und Berufen mit körperlicher Tätigkeit zu unterscheiden. Mittlerweile teilen Anbieter Neukunden in bis zu 14 verschiedene Berufsgruppen ein." Ziel ist eine Top-Position im (Preis)Kampf um die besten „Risiken". Für die Berufe mit niedrigeren Risiken würden in der Folge geringere Beiträge kalkuliert. In Berufen mit höherem Risiko werde der Versicherungsschutz dagegen so teuer, dass ihn sich kaum noch jemand leisten könne.

Für körperlich Tätige haben sich die Preise in den letzten Jahren laut Franke und Bornberg zum Teil vervierfacht. Habe der Prämienaufschlag vorher bei 100 % gelegen, so sei diese Spanne inzwischen auf teilweise über 500 % angestiegen. Franke entrüstet sich: „Mit dieser immer kleinteiligeren Berufsgruppen-Differenzierung wird der Versicherungsgedanke zunehmend ad absurdum geführt. Verbraucher, die den Schutz am wenigsten brauchen, erhalten ihn immer günstiger, für die anderen wird er nahezu unbezahlbar." Ein Rechenbeispiel mit 40 Anbietern aus der Software des Unternehmens deckte im Januar in der Tat eklatante Unterschiede auf: Für ein- und dieselbe Police, 1.500 Euro Monatsrente bei einer Versicherungslaufzeit bis zum Alter 67, verlangte der preiswerteste Versicherer von einem 35-jährigen Diplom-Ingenieur einen monatlichen Nettobeitrag von knapp 48 Euro, für einen Maurer hingegen fast 242 Euro.

Franke steht nicht allein da mit seiner Kritik. Schon seit längerer

Zeit sind Verbraucherschützer auf den Barrikaden, der Bund der

Versicherten fordert gar eine gesetzlich verankerte

Berufsunfähigkeitsabsicherung für Jedermann.

Also eine Art Wiedergutmachung dafür, dass die gesetzliche Rentenversicherung seit 2001 nur noch Erwerbsminderungsrenten zahlt. Von denen erstens niemand leben kann, da die durchschnittliche Leistung im Schnitt nur bei rund 700 Euro im Monat liegt. Und das, obwohl jeder fünfte Berufstätige vor dem Erreichen der Altersgrenze die Segel streichen muss – wegen eines Unfalls oder einer schweren Erkrankung.

Bei den Versicherern selbst findet die harsche Kritik an ihre Tarifgestaltung nur auf ein bedingtes Echo. So will sie Michael Rosch, Leiter Produktmanagement Leben bei HDI, so nicht im Raum stehen lassen: „Eine Leistung ist ‚zu teuer', wenn das Verhältnis zwischen Preis und Leistung nicht stimmt. Die Kritik der Verbraucherschützer teilen wir (…) nicht. Dass Prämien auskömmlich kalkuliert sind, dient den Interessen der Versichertengemeinschaft und damit letztlich jedem einzelnen Kunden. Es reicht auch nicht, ein Angebot nur nach dem Preis zu beurteilen. Mindestens ebenso wichtig für den Kunden sind die Qualität des Bedingungswerks und der BU-Services im Leistungsfall." Auch Martin Gräfer, Vorstand Vertrieb und Service bei der Bayerischen, findet andere Aspekte wichtiger: „Es ist viel zu kurz gegriffen, den Wettbewerb nur über den Preis zu definieren. Es geht vor allem um Service, und der wiederum beginnt schon beim Underwriting, bei Versicherungsbedingungen und den damit verknüpften Leistungen." Die meisten Kunden der Bayerischen befänden sich ohnehin in den Risikogruppen 2 oder 3 – also durchaus dort, wo auch handwerkliche oder körperliche Tätigkeiten ausgeübt würden. Verständnis zeigt hingegen Rüdiger R. Burchardi, Vorstand für Vertrieb und Marketing der Dialog Lebensversicherungs-AG: „Der vergleichsweise hohe Preis von Berufsunfähigkeitsversicherungen stellt in der Tat ein Problem dar. Eine BU-Versicherung sollte in jungen Jahren abgeschlossen werden, da hier der Absicherungsbedarf am größten ist, aber gerade dann fehlt es oft an Liquidität." Er empfehle daher einen altersabhängig und damit risikoadäquat kalkulierten Tarif, der jungen Menschen eine vollwertige Absicherung zu sehr günstigen Beiträgen ermögliche. Und Miriam Michelsen, Leiterin Vorsorge bei MLP, mahnt: „Versicherer müssen bei der weiteren Tarifgestaltung darauf achten, dass auch künftig breite Zugangsmöglichkeiten in die BU-Absicherung erhalten bleiben."

Was aber können Makler für diejenigen Kunden tun, denen eine BU-Absicherung zu teuer ist, oder die wegen Vorerkrankungen keine Chance auf einen Vertragsabschluss haben? Sie sollten kreativ sein, denn der Markt hält durchaus sinnvolle Alternativen bereit. Es handelt sich hierbei zwar nur um Ausschnittdeckungen, sie können aber durchaus miteinander kombiniert werden – und somit für einen fast lückenlosen Ersatz zur herkömmlichen BU sorgen:

5 Kombi-Bausteine als Alternative zur BU

  • Die Erwerbsunfähigkeitsversicherung kostet deutlich weniger als der BU-Schutz. Dafür leistet sie in Form einer Rente nur, wenn man gar nicht mehr arbeiten kann.
  • Die private Unfallversicherung leistet in Form von Einmalzahlungen und/oder Renten.
  • Aus der Schwere Krankheiten Versicherung (Dread Disease) gibt es nur Einmalzahlungen, die allerdings in eine Rente investiert werden können. Die Zahl der versicherten Krankheiten schwankt je nach Anbieter zwischen etwa 35 und 50.
  • Bei der Grundfähigkeitsversicherung fließt eine Rente, wenn der Kunde je nach Vertragsgestaltung beispielsweise nicht mehr in der Lage ist, zu gehen, zu sitzen, zu sprechen oder zu hören. Oder aber automatisch in den Pflegestufen II und III. Ob er weiter einen Beruf ausüben kann, spielt keine Rolle.
  • Aus der Funktionsinvaliditätsversicherung gibt es eine Rente, wenn eine Invalidität auf einem schweren Unfall oder der Schädigung innerer Organe beruht, oder aber auf den Verlust von Grundfähigkeiten sowie im Pflegefall. Die Invalidität muss in der Regel 50 % betragen.

Dr. Werner Görg, Vorstandsvorsitzender der Gothaer, hält viel davon: „Grundsätzlich können Ausschnittdeckungen wie zum Beispiel die Versicherung von Grundfähigkeiten oder Dread Disease interessante Optionen sein, wenn bedarfsgerechter BU-Schutz aus unterschiedlichen Motiven nicht gewünscht wird. Wir sehen allerdings erhebliche Unterschiede zwischen Ausschnittdeckungen, die eine Worst-Case-Absicherung darstellen, und umfangreichem und qualitativ hochwertigem Dread Disease-Schutz wie Gothaer Perikon."

Michael Rosch, Leiter Produktmanagement Leben bei HDI Versicherungen, erkennt in den Alternativen gar ein Geschäft mit Zukunft: „Der Markt für BU-Alternativprodukte besitzt Potenzial. Für die Kunden ist wichtig, dass sie echten Einkommensschutz erhalten und nicht nur eine partielle Ausschnittdeckung. Darüber hinaus kommt es bei Alternativprodukten – wie auch bei der BU selbst – auf die Qualität an." Gehe es um die Absicherung der Arbeitskraft, bleibe die BU-Versicherung zwar das „Königsprodukt". Zur Lebenswirklichkeit gehöre aber, dass nicht jeder Kunde eine klassische BU-Police abschließen könne oder wolle. Im Hinblick auf Alternativlösungen komme eine qualitativ hochwertige Erwerbsunfähigkeitsversicherung der klassischen BU am nächsten, so Rosch. Gleichzeitig kündigt er für sein Unternehmen Neues an: „Unter dieser Maxime arbeiten wir bei HDI an einem Invaliditätsprodukt, das Kunden mit risikoreicheren Berufen eine bedarfsgerechte und bezahlbare Alternative zur BU-Versicherung bieten wird."

Bayerische-Vorstand Gräfer rät jedoch in jedem Fall zu einer Rundum-Beratung: „Es geht bei der Beratung zur Einkommenssicherung darum, eben nicht nur ein Produkt zu empfehlen, sondern nach Prüfung der wirtschaftlichen Bedarfe und Möglichkeiten und insbesondere unter Berücksichtigung der Gesundheitssituation des Kunden Lösungen anzubieten. Hier glauben wir an den Sinn von Versicherungen gegen schwere Krankheiten. Und dies einmal in Form einer echten Dread Disease Versicherung oder auch in Formeiner funktionalen Invaliditätsversicherung wie unsere Multi-Protect Lösung. Den Ansatz einer Konzeptberatung unterstützen wir mit unserem Praktiker-Tool Diagnose X."

Marcus Nagel, Vorstandsvorsitzender der Zurich Deutscher Herold, steht Alternativen ebenfalls äußerst aufgeschlossen gegenüber: „Derzeit ist dies ein Nischenfeld, aber mit sehr hohem Potenzial. Es liegt an der Branche, attraktive Konzepte zu entwickeln." Es gebe viele Möglichkeiten, einen halbwegs gleichwertigen Ersatz für BU-Policen zu finden. Man müsse sich nur gedanklich einmal von der BU trennen. Gerade erst habe sein Unternehmen eine Absicherung bei schweren Krankheiten auf den Markt gebracht. Ganz am Rande zeigt Zurich Deutscher Herold aber auch und nachdrucksvoll, wie günstiger BU-Schutz für alle dargestellt werden kann. Nämlich über den Arbeitgeber. Im Rahmen einer großen Biometrie-Offensive hat das Unternehmen vor wenigen Tagen eine Kollektiv-BU namens TEAM über den Arbeitgeber vorgestellt. Nagel: „Hier wird das Risiko aktuariell gezeichnet, ohne Gesundheitsprüfung."

(Theresa Appenzell)

BU-Alternativen - Printausgabe 05/2013