Wenn der Wirtschaftsmotor stottert

22.01.2024

Ben Laidler. Foto: eToro

Deutschland befindet sich aktuell in einer Wirtschaftskrise, die durch sowohl selbstverschuldete als auch externe Einflüsse verursacht wurde. Das gezielte Aktivieren einer Vielzahl könnte eine wirtschaftliche Erholung aus eigener Kraft vorantreiben.

Ein näherer Blick auf die vergangenen 25 Jahre verdeutlicht, dass ein solches Szenario keineswegs zur Regel gehört. Tatsächlich gab es lediglich in fünf dieser Jahre einen konjunkturellen Abschwung. Besonders bemerkenswert war dabei die Zeit nach dem Platzen der Dotcom-Blase, die zu zwei aufeinanderfolgenden Jahren mit negativem Wachstum (2002 und 2003) führte.

Der stärkste Konjunktureinbruch ereignete sich im Jahr 2009 während der globalen Finanzkrise, als die Wirtschaft um 5,7 Prozent schrumpfte. Ein vergleichsweise jüngeres Kapitel dieser wirtschaftlichen Turbulenzen schrieb die Corona-Krise im Jahr 2020, die zu einem Rückgang um 3,8 Prozent führte. Über den betrachteten Zeitraum von 25 Jahren hinweg wurden insgesamt zehn Jahre mit Wachstumsraten von 1 Prozent oder niedriger verzeichnet. Im Jahr 2010 gab es mit einer Rate von 4,2 Prozent das stärkste Wachstum.

Ökonomische Schockstarre

Global: In Zeiten globaler Krisen wird für Deutschland ein strategisches Umdenken unerlässlich. Die starke Abhängigkeit von ausländischer Nachfrage, die sich in einer Exportquote von 50 Prozent zeigt, macht das Land anfällig für externe Schocks. Die Krise des wichtigsten Handelspartners China stellt eine bedeutende Herausforderung dar. Ein BIP-Wachstum im vierten Quartal von 5,2 Prozent, das die Erwartungen verfehlt hat, deutet auf eine belastende globale Wirtschaftslage hin. Indien erlebt hingegen einen rapiden Aufstieg, angetrieben durch ein deutlich stärkeres reales BIP-Wachstum.

Europa: Die deutsche Wirtschaft befindet sich seit Ende 2022 in einer Phase der Stagnation, wobei die hohen Energiepreise die Wettbewerbsfähigkeit erheblich beeinträchtigen. Ein Teil dieses Dilemmas ist selbstverschuldet, da über Jahre hinweg preiswertes Gas aus Russland importiert wurde. Die Notwendigkeit einer raschen Diversifizierung der Energiequellen und einer verstärkten Investitionen in erneuerbare Energien ist dringlicher denn je. Ironischerweise könnte die anhaltende Konjunkturflaute dazu führen, dass die Europäische Zentralbank schneller interveniert, um Unterstützung bereitzustellen.

Deutschland: Es ist deutlich erkennbar, dass Deutschland an Wettbewerbsfähigkeit verliert. Um aus eigener Kraft aus der Krise zu navigieren und insbesondere eine zweijährige Rezession zu verhindern, ist eine proaktive Reaktion vonnöten. Maßnahmen wie Bürokratieabbau und verstärkte Digitalisierung könnten neue Dynamiken entfesseln. Durch gezielte Anreize können Unternehmen ermutigt werden, in innovative Projekte zu investieren. Eine nachhaltige Energiepolitik hat das Potenzial, nicht nur Umweltziele zu fördern, sondern auch die Wettbewerbsfähigkeit der Industrie zu stärken.

Frühindikator gibt noch keine Entwarnung

Die Frage, ob 2024 einen Wendepunkt markiert, bleibt offen. Der Einkaufsmanagerindex (PMI) für die gesamte deutsche Wirtschaft, der stark mit dem BIP korreliert, hat sich kurzfristig erholt. Trotz der positiven Anzeichen notiert der PMI mit 47,4 Punkten noch unterhalb der Schwelle von 50 Punkten. Dies bedeutet, dass Vorsicht geboten ist und keine Entwarnung gegeben werden kann.

Fazit

Deutschland steckt in einer wirtschaftlichen Krise, die sowohl auf selbstverschuldete Faktoren als auch auf externe Einflüsse zurückzuführen ist. Um sich aus dieser Situation zu befreien, sollten die Exportmärkte und Energiequellen diversifiziert sowie verstärkt in erneuerbare Energien investiert werden. Maßnahmen wie Bürokratieabbau und verstärkte Digitalisierung könnten neue Impulse für die Wirtschaft setzen. Die Europäische Zentralbank wird voraussichtlich bald unterstützend eingreifen. Obwohl Frühindikatoren kurzfristig eine positive Tendenz zeigen, ist eine Entwarnung noch nicht möglich.

Marktkommentar von Ben Laidler, Marktanalyst bei eToro.